Fragen und Antworten Was die Vorratsdatenspeicherung für Ihre Daten bedeutet

Düsseldorf · Der Bundestag hat das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Was zunächst technisch und abstrakt klingt, hat sehr reale Auswirkungen auf unsere alltägliche Kommunikation und die Transparenz unserer Daten. Was die Vorratsdatenspeicherung für Ihre Daten bedeutet.

Vorratsdatenspeicherung: Fragen und Antworten
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Fragen und Antworten zur Vorratsdatenspeicherung

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Foto: dapd, Thomas Kienzle

Mit wem sprechen wir, wann, mit welchem Gerät, wie lange? Beim Telefonieren denken die meisten wohl nicht darüber nach, dass die Behörden bald Daten zu all diesen Punkten abfangen und speichern können. Am Vormittag hat der Bundestag das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Wenn auch der Bundesrat seine Zustimmung gegeben hat, wird das Gesetz vermutlich im kommenden Winter in Kraft treten, wann genau ist unklar. Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema: Was bedeutet die Vorratsdatenspeicherung für meine Daten?

Welche Daten werden gespeichert?

In der Fachsprache werden sie als "Vorratsdaten" oder "Verkehrsdaten" bezeichnet. Im Klartext: Gespeichert wird wer mit wem, wann, wie lange, an welchem Ort und mit welchem Gerät kommuniziert. Dabei werden nicht nur Telefongespräche, sondern auch Textnachrichten wie SMS überwacht. Auch Skype-Gespräche fallen unter die Vorratsdatenspeicherung. Um zu bestimmen, von welchem Gerät aus eine Nachricht gesendet wurde, werden IP-Adressen erfasst. Bei Gesprächen mit dem Smartphone wird der Standort des Telefonierenden gespeichert. Daten zum E-Mail-Verkehr und besuchte Internetseiten dürfen dagegen nicht erfasst werden.

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Wird auch der Inhalt der Gespräche erfasst?

Der Inhalt der Telefongespräche und Nachrichten wird nicht gespeichert, er bleibt für die Ermittler geheim. Bei SMS dagegen soll nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" auch der Inhalt der Nachricht erfasst werden. Kritiker sehen darin eine Verletzung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Wie lange werden die Daten gespeichert?

Die Anbieter speichern die Daten ihrer Kunden für maximal zehn Wochen. Standortdaten von Smartphones müssen nach maximal vier Wochen gelöscht werden. Werden Daten länger aufbewahrt, droht dem Telekommunikationsanbieter ein Bußgeld.

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Foto: dpa, abu htf

Was passiert mit den Daten?

Im Regelfall gar nichts. Die Daten werden von den Anbietern gespeichert und nach Ablauf der Frist wieder gelöscht. Nur, wenn Polizei und andere Ermittlungsbehörden die Daten auf Basis eines richterlichen Beschlusses anfordern, werden sie von den Telekommunikationsunternehmen weitergegeben.

Die Behörden dürfen die Daten laut Gesetz nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen - etwa bei der Bildung terroristischer Vereinigungen, Mord, Totschlag oder sexuellem Missbrauch. Die Sicherheitsbehörden bekommen also nur in bestimmten Fällen Zugriff auf die Daten. Erfasst werden allerdings die Daten aller Bürger.

Mithilfe der Daten lässt sich das Profil einer verdächtigen Person vervollständigen: Mit wem hat die Person regelmäßig Kontakt, wo hält sie sich auf? Wenn ein Smartphone auch die Mobilfunkstationen speichert, bei denen es sich einloggt, können die Ermittler Bewegungsprofile erstellen. Die Behörden fordern die Einführung der Vorratsdatenspeicherung schon seit Jahren, denn sie erhoffen sich, mithilfe der Daten besser gegen Kriminelle vorgehen zu können.

Sind die Daten sicher vor dem Zugriff Dritter, wenn sie von den Anbietern gespeichert werden?

Die Telekommunikationsfirmen sollen verpflichtet werden, bei der Speicherung Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten und dafür einen Server im Inland zu benutzen.

Was ist mit sensiblen Daten, etwa von Ärzten oder Anwälten?

Da gibt es Ausnahmen. Die Anrufe bei Seelsorge-Hotlines werden grundsätzlich nicht erfasst. Die Daten von Berufsgeheimnisträgern - etwa Rechtsanwälten, Ärzten, Abgeordneten oder Journalisten - werden zwar mitgespeichert, dürfen aber nicht verwertet werden. Allerdings gibt es ein Problem: Die Daten lassen sich nicht vorab herausfiltern. Es zeigt sich erst beim Zugriff, ob jemand Informant oder Lehrer, Tatverdächtiger oder Anwalt ist.

Wenn Journalisten also im Rahmen ihres Berufes recherchieren, dürfen diese Daten nicht den Behörden übergeben werde. Die Zusammenarbeit mit Whistleblowern wird dagegen durch das Gesetz erschwert. Denn es ist verboten, Daten zu veröffentlichen, "die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat".

War die Vorratsdatenspeicherung nicht längst vom Tisch?

Fast. Aber im letzten Augenblick hat sie dann doch noch die Kurve gekriegt - sehr zum Unmut ihrer Kritiker. 2007 hatte die damalige Große Koalition den ersten Versuch gestartet und in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung eingeführt. Drei Jahre lang war das Gesetz in Kraft, doch 2010 wurde es vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Außerdem kippte der Europäische Gerichtshof im April 2014 die entsprechende EU-Richtlinie. Doch die Bundesregierung wollte die Vorratsdatenspeicherung offenbar nicht begraben und überarbeitete das Gesetz. Nun wurde es, mit einigen Änderungen, zunächst am Mittwoch vom Rechtsausschuss des Bundestages und dann schließlich auch vom Bundestag gebilligt.

Was ist neu im Vergleich zum Gesetzesentwurf von 2007?

Einige wesentliche Punkte haben sich im Vergleich zu dem Entwurf von 2007 geändert. Weil die Speicherzeiten verkürzt worden sind und nach dem neuen Gesetz weniger Daten gespeichert werden dürfen, ist Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zuversichtlich, dass das Gesetz einer erneuten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten würde. "Damit werden wir der höchstrichterlichen Rechtsprechung vollumfänglich gerecht", sagte Maas.

Mit Material von dpa.

(lsa)
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