Anschlagsserie Vor Export des Kaukasus-Konfliktes nach Deutschland gewarnt

Berlin · Nach Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan wurden Anschläge in Berlin, Köln und Hamburg verübt. In Moskau und anderen russischen Städten kam es bereits zu direkten Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen.

 In Tovuz in Aserbaidschan steht eine Frau vor den Trümmern ihres Hauses nach dem Beschuss durch armenische Truppen.

In Tovuz in Aserbaidschan steht eine Frau vor den Trümmern ihres Hauses nach dem Beschuss durch armenische Truppen.

Foto: dpa/Ramil Zeynalov

In der Hauptstadt geht Mitte vergangener Woche ein Dienstfahrzeug der armenischen Botschaft in Flammen auf, auch in Köln und Hamburg werden armenische Kleinunternehmer von Anschlägen getroffen. Der Zentralrat der Armenier in Deutschland verdächtigt nun aserbaidschanische Stellen, hinter den Übergriffen zu stehen und hat sich hilfesuchend an den Staatsschutz und die Innenministerien in Deutschland gewandt. Auch in der Union gibt es Sorge, dass der Kaukasus-Konflikt nach Deutschland überschwappen könnte.

Die Attacken wurden wenige Tage nach dem Wiederaufflammen von Gefechten zwischen Armenien und Aserbaidschan im Grenzgebiet verübt. Rund 20 Tote forderte der gegenseitige Beschuss. Die beiden Länder im Kaukasus befinden sich seit den 1990er Jahren in einem ständigen Konflikt um die Region Berg-Karabach, die von Aserbaidschan beansprucht wird, aber unter der Kontrolle Armeniens steht. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet war zu Zeiten der Sowjetunion Aserbaidschan zugeschlagen worden. Armenische Rebellen hatten Berg-Karabach nach dem Zerfall der Sowjetunion unter ihre Kontrolle gebracht und die Unabhängigkeit ausgerufen. Sie ist jedoch weitgehend ohne Anerkennung geblieben. Zuletzt war es vor vier Jahren zu heftigen Kämpfen zwischen beiden Ländern gekommen, bei denen über hundert Menschen ihr Leben verloren.

Nach Beginn der jüngsten Gefechte forderten Demonstranten in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku eine Militäroffensive gegen Armenien. Am Wochenende war es in russischen Städte zu Ausschreitungen zwischen größeren Gruppen von Armeniern und Aserbaidschanern gekommen.

„Es ist vollkommen inakzeptabel, wenn ausländische Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen werden“, sagte der Unions-Innnenexperte Matthias Middelberg unserer Redaktion. Schon aus Respekt vor den Regeln und Gesetzen in Deutschland habe sich jeder hierzulande friedlich zu verhalten. „Sollten sich in diesem Fall die Anhaltspunkte für eine ausländische politische Motivation bestätigen, muss der Staatsschutz konsequent eingreifen“, verlangte Middelberg.

Schawarsch Owassapian, der Zentralratsvorsitzende der Armenier in Deutschland, verlangte von den deutschen Behörden eine Untersuchung, inwieweit Geheimdiensttätigkeiten Aserbaidschans hinter den Anschlägen in Berlin, Köln und Hamburg stecken. „Die Diktatur Aserbaidschan ist wohl gewillt, ihren Krieg gegen die Armenier in Deutschland mit terroristischen Methoden auszutragen“, erklärte Owassapian. Nach Angaben seines Verbandes leben derzeit rund 80.000 Armenier in Deutschland, in der EU insgesamt rund eine Million.

Versuche zu einer friedlichen Verständigung scheiterten vor zehn Jahren. Die Situation wird zusätzlich kompliziert durch die Unterstützung der Konfliktparteien durch regionale Hegemonialmächte. Russland vertritt die Interessen Armeniens, die Türkei steht hinter den Ansprüchen Aserbaidschans. Dessen Präsident Ilham Alijew schloss ein militärisches Vorgehen nicht aus. Für diesen Fall wird mit der Intervention Moskaus und Ankaras gerechnet. Schon die jüngsten Gefechte scheinen durch einen eher harmlosen Grenzzwischenfall ausgelöst worden sein, den beide Seiten binnen kürzester Zeit mit schweren Waffen eskalierten.

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