Wahlrecht Chancen auf kleineren Bundestag gestiegen

Berlin · Die Union ist fest entschlossen, mit einer Wahlrechtsreform dafür zu sorgen, dass schon der nächste Bundestag wieder kleiner wird. Zwar hält die SPD eine Einigung noch in dieser Woche für ausgeschlossen. Hinter den Kulissen laufen aber intensive Verhandlungen.

 Der Plenarsaal des Bundestages während der Regierungsbefragung am Mittwoch.

Der Plenarsaal des Bundestages während der Regierungsbefragung am Mittwoch.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Bereits der nächste Bundestag dürfte wieder deutlich kleiner ausfallen, wenn sich die Union mit ihrem neuen Vorschlag zur Reform des Wahlrechtes durchsetzt. Am Dienstagabend hatten sich die Unionsabgeordneten nach fünfstündiger, teils emotional geprägter Debatte entschieden, nicht erst für 2025 die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 zu verringern und für sieben Überhangmandate keine Ausgleichsmandate mehr vorzusehen, sondern schon für 2021. Bezogen auf das 2017er Wahlergebnisse hätte der aktuelle Bundestag nach diesem Vorschlag nur 632 Abgeordnete gehabt statt der tatsächlich entstandenen Zahl von 709.

Für viele Wähler in Nordrhein-Westfalen hätte das einschneidende Folgen. Sie können nicht nur vier direkt gewählte Abgeordnete weniger nach Berlin entsenden, sie müssen sich auch auf umfassende Neuzuschnitte der bestehenden Wahlkreise einstellen. Denn es können selbstverständlich nicht einfach vier Wahlkreise gestrichen werden. Die vom Wegfall eines bestehenden Wahlkreises betroffene Bevölkerung wird auf bislang benachbarte Wahlkreise aufgeteilt. Aber auch in diesen Wahlkreisen müssen bestimmte Größenordnungen eingehalten werden, sodass in vermutlich mehr als einem Dutzend Wahlkreisen einzelne Gemeinden oder Stadtteile hinzukommen oder in einen anderen Kreis wechseln werden.

Vier Bundesländer müssen wegen der geringen Einwohnerzahlen vorerst keine Wahlkreise streichen: Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen. Größere Länder wie Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen müssen auf zwei Wahlkreise verzichten, die meisten anderen wie Rheinland-Pfalz einen einbringen.

Weil die CSU sich erst zu Beginn dieser Woche entschied, auf Direktmandate zu verzichten, ist die Zeit bereits so weit fortgeschritten, dass Änderungen nur mit großem Aufwand möglich sind. FDP, Linke und Grünen wollten an diesem Freitag ihren eigenen Vorschlag zur Abstimmung stellen. Im zuständigen Innenausschuss weigerten sich Union und SPD am Mittwoch aber, dieses Konzept abschließend zu beraten. Somit kann vor dem Beginn der Sommerpause voraussichtlich keine Entscheidung mehr fallen. Die Union erhöhte zwar den Druck auf die SPD, noch in dieser Woche zu einer Einigung zu kommen. SPD-Geschäftsführer Carsten Schneider hielt dies jedoch für „ausgeschlossen“. Allerdings lehnte seine Fraktion den neuen Vorschlag der Union auch nicht ab. An der Fraktionsspitze und auf Arbeitsebene liefen zahlreiche Kontakte, um Einigungskorridore und Zeitpläne auszuloten.

Bei den verschiedenen Konzepten der anderen Parteien war unter anderem vorgesehen, dass je nach Wahlergebnis Abgeordnete, die mit der Erststimme nur knapp vor anderen Bewerbern abschnitten, ihr Mandat nicht antreten dürfen. Das hält die CSU für eklatant verfassungswidrig. Bei früheren Entscheidungen hatte das Bundesverfassungsgericht besonders intensiv darauf geachtet, dass jeder Wähler mit seiner Stimme die gleichen Chancen haben muss wie andere Wähler. Das wäre dann nicht mehr gegeben. Deshalb wäre eine Verständigung auf ein anderes Modell vermutlich in Karlsruhe durchgefallen.

Die Verfassungsrichter hatten wiederholt unterstrichen, dass einem Wahlrecht, an dem auch die Opposition mitwirkt, der Vorzug zu geben sei. Die ersten Reaktionen von Grünen und FDP bezogen die Ablehnung nur auf das Verfahren. Inhaltlich zeigten sich die Oppositionspolitiker gesprächsbereit. Sie verwiesen allerdings auf den hohen Zeitdruck und kritisierten die mangelnde Entscheidungsfähigkeit der Koalitionsfraktionen.

Wenn es dem Bundestag gelingt, im September ein neues Wahlrecht zu beschließen, müssen die Wahlkreiszuschnitte unter größtem zeitlichen Druck vorgenommen werden. Eine EU-Regelung besagt, dass derartige Eingriffe in das Wahlrecht ein Jahr vor einer Wahl nicht mehr vorgenommen werden dürfen. Die Bundestagswahl ist für Ende September 2021 vorgesehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort