Vor der Ministerpräsidentenkonferenz Länder bereiten Öffnungsschritte vor

Berlin · Pünktlich zur nächsten Spitzenrunde von Bund und Ländern verkündet der Gesundheitsminister: Omikron hat seinen Zenit überschritten. Umfassende Öffnungen werden vorbereitet. Doch manche wollen auf Nummer sicher gehen.

«Hurra! Wir haben wieder geöffnet» steht auf einem Schild unterhalb der Speisekarte einer Gaststätte im hessischen Münzenberg. (Archiv) 

«Hurra! Wir haben wieder geöffnet» steht auf einem Schild unterhalb der Speisekarte einer Gaststätte im hessischen Münzenberg. (Archiv) 

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

In der Erwartung sinkender Infektionszahlen bereiten Bund und Länder eine weitgehende Streichung der Corona-Auflagen in zwei Monaten vor. Am Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zur Festlegung des weiteren Coronakurses preschte Bayern mit dem Beschluss einer Fülle von Öffnungen vor. Auch die Wirtschaft macht Druck. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Peter Adrian sprach von herbeigesehnten Schritten.

Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Omikronwelle ihren Höhepunkt in Deutschland inzwischen hinter sich. „Der Höhepunkt der Omikron-Welle ist überschritten – ziemlich genau an dem Tag, den ich vor einem Monat vorausgesagt hatte“, sagte Lauterbach der „Bild“-Zeitung am Dienstag. Lauterbach hatte nach Berechnungen eines wissenschaftlichen Modells den Höhepunkt der Omikron-Welle für Mitte Februar prognostiziert. Nun seien „maßvolle Lockerungen“ möglich. Die bisherigen Maßnahmen hätten „genau gesessen“, sagte er. „Damit konnten wir die Zahl der Sterbefälle deutlich reduzieren und sind im Vergleich zu anderen Ländern wirklich gut durch diese Omikron-Welle gekommen. Man sollte anerkennen: Da hat etwas geklappt.“

Die Sieben-Tage-Inzidenz sank laut Robert Koch-Institut (RKI) den dritten Tag in Folge auf nun 1437,5. Am Vortag waren es noch 1459,8 gemeldete Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen gewesen. Die Gesundheitsämter meldeten 159 217 neue Fälle an einem Tag.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kündigte im Düsseldorfer Landtag ebenfalls konkrete Lockerungen an - zunächst bei den Kontaktbeschränkungen für die Geimpften. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann plädierte für einen vorsichtigen Öffnungskurs. Bei der MPK würden sicher schrittweise Lockerungen beschlossen, sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Skeptisch äußerte sich Kretschmann zu der Frage, ob man ab dem 20. März ohne Corona-Auflagen auskommen könne. Kretschmann verwies vor allem auf Risiken für ungeimpfte, ältere Menschen. In Bayern beschloss das Kabinett einen Tag vor der Bund-Länder-Runde zum künftigen Corona-Kurs den kompletten Wegfall von Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene. Auch Berlin hob die 2G-Regel für den Einzelhandel auf. Stattdessen gilt generell im Handel noch eine FFP2-Maskenpflicht.

Bund und Länder wollen an diesem Mittwoch laut einer ersten Vorlage den weitgehenden Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen bis zum Frühlingsanfang am 20. März beschließen. Bereits im Infektionsschutzgesetz ist das Auslaufen der Schutzmaßnahmen am 19. März festgelegt. Doch könnte der Bundestag die Gültigkeit einmalig um drei Monate verlängern. Der ersten Vorlage für die MPK von Sonntagabend zufolge soll es auch über den 19. März hinaus „niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen“ wie die Maskenpflicht geben.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hat einen „Freedom Plan“ gefordert.  „Es ist richtig, den Bürgerinnen und Bürgern eine klare Perspektive zu vermitteln, wann sie welche Rechte und Freiheiten wieder bekommen werden“, sagte Gassen. „Das heißt nicht, dass alle Maßnahmen sofort aufgehoben werden sollen, aber wir brauchen einen Freedom Plan. Wachsamkeit und Vorsicht sind natürlich weiterhin angesagt, aber wir müssen als Gesellschaft lernen, mit Corona in Selbstverantwortung zu leben“, sagte Gassen. „Die Entscheidung, ob eine gesetzliche Impfpflicht eingeführt werden soll, ist und bleibt eine politische. Die politischen Entscheider müssen abwägen, welchen Nutzen und welche Folgen eine gesetzliche Verpflichtung hätte. Vor allem muss die Entscheidung klar, überprüfbar und rechtssicher sein“, forderte der KBV-Chef.

DIHK-Präsident Peter Adrian sagte, die nun geplanten Schritte werden von der Wirtschaft herbeigesehnt. „Viele Unternehmen aus Gastronomie, Freizeitwirtschaft und Handel warten darauf, mit deutlich weniger oder ganz ohne Corona-Einschränkungen geschäftlich wieder Fuß zu fassen“, sagte Adrian unserer Redaktion. „Rund zwei Drittel dieser Betriebe berichten zuletzt von einer schlechten wirtschaftlichen Lage“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). „Mehr als jedes zehnte Unternehmen aus Kunst, Unterhaltung und Erholung sieht sich von Insolvenz bedroht - doppelt so viele wie noch im vergangenen Herbst. Ähnlich angespannt ist die Lage der Tourismuswirtschaft und der Einzelhändler in Innenstadtlagen“, sagte der DIHK-Chef. „Ein Stufenplan kann hier erste Perspektiven raus aus dem Krisenmodus aufzeigen“, sagte Adrian.  

(jd/mar/dpa)
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