EU-Gipfel Heftiges Ringen um EU-Posten

Brüssel/Berlin · Von der Leyen wurde beim EU-Sondergipfel überraschend als Kommissionspräsidentin gehandelt. Spitzenkandidat Weber könnte sich Parlamentspräsidentschaft teilen.

 Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Foto: dpa/Fabian Sommer

Mit einer spektakulären Wende in ihren Verhandlungen haben Kanzlerin Angela Merkel und die anderen  EU-Staats- und Regierungschefs die Besetzung der fünf Top-Posten noch vor der geplanten Wahl des Parlamentspräsidenten am Mittwoch ausgelotet. EU-Ratspräsident Donald Tusk schlug beim Sondergipfel am Dienstag völlig überraschend Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission vor. Das würde in Deutschland eine Kabinettsumbildung erfordern. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will nach Informationen unserer Redaktion nicht  ins Kabinett wechseln, weil sie ihre volle Kraft für den Parteivorsitz einsetzen wolle - um damit ihre Chancen für eine Kanzlerkandidatur  zu erhöhen.

EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) könnte sich nach dem Verhandlungsstand am Dienstagabend die Parlamentspräsidentschaft mit einem Sozialdemokraten teilen. Webers sozialdemokratischer Gegenkandidat Frans Timmermanns aus den Niederlanden würde nur bleiben, was er ist: Vizepräsident der Kommission. Ein Sprecher von Ungarns Regierungschef Viktor Orban, schrieb auf Twitter, die vier osteuropäischen Visegrad-Staaten unterstützten den Plan. Auch Italien signalisierte Zustimmung. Aus diesen Ländern hatte es bei den erfolglosen 20-stündigen Verhandlungen am Sonntag und Montag massiven Widerstand gegen Merkels ursprünglichen Pläne gegeben, Timmermans zum Kommissions- und Weber zum Parlamentspräsidenten zu machen. SPD und Grüne protestierten gegen die neuen Ideen scharf.

SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er erwarte, dass „das Spitzenkandidaten-Prinzip respektiert wird“. In der Union wurde nach Informationen unserer Zeitung ebenfalls beklagt, dass die beiden Spitzenkandidaten mit diesem Vorschlag „abgespeist“ würden. Damit wäre das Spitzenkandidaten-Modell für die Zukunft erledigt, hieß es.  CSU-Vorstandsmitglied Christian Schmidt forderte, „für die Zukunft das Prinzip der Spitzenkandidatur im EU-Vertrag zu fixieren“. Die Grünen-Fraktionschefin im EU-Parlament, Ska Keller, will am Mittwoch als Parlamentspräsidentin kandidieren.

Der belgische Ministerpräsident Charles Michel (Liberale) wurde nach Berichten der Deutschen Presse-Agentur als Ratspräsident, der spanische Außenminister Josep Borrell als Außenbeauftragter und IWF-Chefin Christine Lagarde als erste Frau an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main gehandelt. Die Spitzenjobs sollen im Paket vergeben werden, um möglichst einen Ausgleich zwischen den Parteien, den Ländern, den Kandidaten und Männern und Frauen zu finden.

Merkel war wegen der Schlappe am Montag als geschwächt kritisiert worden. Sie habe ihren sonst so untrüglichen Instinkt für Krisenmanagement verloren, hieß es. Sollte sie von der Leyen in Brüssel durchsetzen und damit zwar das Modell der Spitzenkandidaten  aufgeben - für das sie ohnehin nie war - aber den Spitzenposten doch für die EVP und für Deutschland sichern, würde ihr Einfluss wieder als mächtig gelten.

Der luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel äußerte sich optimistisch. Gesucht sei ein Konsens, sagte er. „Hier ist ja nicht: Europa sucht den Superstar.“

(kd)
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