Christine Lieberknecht Von der Kanzel in die Staatskanzlei

Berlin · Die Gespräche für eine rot-rot-grüne Koalition in Thüringen sind geplatzt, nun hat Pastorin Christine Lieberknecht alle Chancen, die erste Ministerpäsidentin der CDU in Deutschland zu werden. Damit hätten die Thüringer Christdemokraten nach dem Absturz von Regierungs- und Parteichef Dieter Althaus in den August-Wahlen alles richtig gemacht, um neben der Mehrheit nicht auch noch die Macht zu verlieren.

Das ist Christine Lieberknecht
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Von der Kanzel in die Staatskanzlei — es zahlt sich nun aus, dass die bisherige CDU-Sozialministerin und evangelische Kirchenfrau im großen breiten Schatten von Althaus diejenige nach vorne holten, die von allen am besten mit den Sozialdemokraten konnte.

Und es zahlt sich aus, dass Lieberknecht, wie zu hören ist, eine große Portion Vertrauensvorschuss in die Sondierungsgespräche mit der SPD gelegt hat. Sie sprach deren Parteichef, Christoph Matschie, nicht von oben herab, sondern von Anfang an auf Augenhöhe an und entwickelte mit ihm zusammen eine Vision für ein gemeinsam regiertes Thüringen. Matschie wusste dabei jederzeit, dass dies keine gekünstelte Taktik war, sondern die "authentische Lieberknecht".

Mit 32 Kultusministerin

Genügend Gelegenheit zur Besichtigung von Lieberknechts Regierungsverhalten hatten die Thüringer bereits seit 1990. Da wurde die gerade 32-Jährige erste Kultusministerin des Freistaates nach der Wende. Zwar war sie schon neun Jahre zuvor der Blockpartei CDU beigetreten, aber die Abkehr von den alten Machtstrukturen macht ihre Biografie unzweifelhaft klar: Sie gehörte zu den Autoren des "Weimarer Briefes", die eine Neuaufstellung der CDU bereits forderten, als die DDR noch eine Zukunft zu haben schien, und sie löste mit ihrem Rücktritt als Ministerin auch die Demission des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Josef Ducha aus, gegen den Stasi-Vorwürfe laut geworden waren.

In den folgenden sieben Jahren kümmerte sie sich im Kabinett von Bernhard Vogel um Bundes- und Europa-Angelegenheiten, und unter Althaus hielt sie dem Regierungschef zunächst als Fraktionsvorsitzende den Rücken frei, bevor sie vor gut einem Jahr als "TMSFG" wieder ins Kabinett eintrat, als "Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit".

Griff nach der Macht

Das ist zwar nicht das Ressort, aus dem gewöhnlich die Regierungschefs kommen. Aber ihr Griff nach der Macht ist ohnehin ungewöhnlich für Deutschland und eine Novität für die CDU. Außer der SPD-Politikerin Heide Simonis hat noch keine Frau ein Bundesland regiert. Für Lieberknecht spricht, dass sie über ihre verschiedenen Funktionen das politische Geflecht des Freistaates bis in die kleinsten Verästelungen genau kennt — und deshalb vor einem Monat glaubhaft verkünden konnte: "Die Ära Althaus ist vorbei."

Jetzt beginne, so versicherte die designierte Ministerpräsidentin, in Thüringen ein "neuer Zeitabschnitt". Sie will inhaltlich und personell einen Schnitt machen, setzt aber zugleich auf bewährte Strukturen: So will sie bei einem Sonderparteitag nicht nur den Koalitionsvertrag billigen, sondern sich dabei gleich auch zur neuen CDU-Chefin wählen lassen.

Die verheiratete evangelische Pastorin, Mutter von zwei Kindern und Oma von drei Enkeln ist sich trotz ihres unverhofften Aufstiegs sicher: "An meinen inneren Koordinaten hat sich seit meinem Pastoren-Dasein nichts geändert."

(RP)
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