Weltraum-Operationszentrale in Uedem Das All wird vom Niederrhein aus überwacht

Uedem · Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat in Uedem die Weltraum-Operationszentrale der Luftwaffe in Dienst gestellt. Sie soll den Ausfall wichtigster Infrastruktur verhindern, denn am Himmel wird es immer enger.

In der Morgensonne schimmert der Generalsstern golden auf der Schulterklappe von Burkhard Pototzky. Aber mehr Glanz geht von der silbernen Schwinge auf seiner Brust aus. Sie ist für Bundeswehr-Verhältnisse ungewöhnlich, erinnert in ihrer Form an die Uniform des legendären Fernsehhelden Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise. In der Tat orientiert sich der Brigadegeneral in Uedem Richtung All. Er ist „General Weltraumoperationen“.

„GSSAC“ steht auf dem silbernen Emblem. Wie fast alles hier am Nato-Standort ist es eine englische Abkürzung. Sein „German Space Situational Awarness Centre“ ist so etwas wie das deutsche Weltraumüberwachungs-Zentrum. Das macht Pototzky zum Gastgeber für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie ist an diesem Montag an den Niederrhein gereist, um von nun an „zusammen zu denken und zusammen zu organisieren, was zusammen gehört“, wie sie vor blinkenden Leuchtpunkten auf riesigen Deutschland- und Europa-Karten erläutert. Sie stellt das „Asoc“ in Dienst. Das „Air and Space Operation Centre“, die Operations-zentrale für Luft- und Raumfahrt, überwacht von Uedem aus alles, was über Deutschland fliegt. Bis hinauf ins All.

Wenn in Neuburg an der Donau oder in Wittmund in Ostfriesland Eurofighter in Alarmstarts aufsteigen, um einen Angriff mit Zivilflugzeugen wie am 11. September 2001 zu verhindern, dann haben sie ihren Befehl aus Uedem erhalten. Sobald die zivile Flugsicherung den Kontakt zu einem Flieger verliert oder ein Passagierjet andere Auffälligkeiten zeigt, informieren sie die Militärs. An diesem Morgen bleibt es ruhig. Gerade sind 450 Flugzeuge über Deutschland in der Luft. Jedes einzelne wird auf Monitoren angezeigt. Das ist wenig. Gewöhnlich sind um diese Uhrzeit auch schon mal 3000 Jets gleichzeitig unterwegs. Corona lässt grüßen. Während des Shutdowns waren es auch schon mal nur 15, die Fracht ein- oder ausflogen.

Am 18. August gab es den letzten Alarmstart. Ein Kleinflugzeug war aus Polen Richtung Rotterdam unterwegs. Im Münsterland hatten die Kampfjets es erreicht, und sofort erkannte der Pilot seinen Fehler. Auch das ging wieder glimpflich aus.

Verglichen mit dem Geschehen in den ersten zehn Kilometern über Deutschland war es noch vor einigen Jahren in den Höhen darüber relativ ruhig. Ab und zu tauchte mal ein Tank einer Weltraumrakete oder ein ausrangierter Satellit wieder in die Atmosphäre ein. Doch im All über Deutschland wird es inzwischen enger und enger. Vergangenes Jahr zählte die Welt gut 1800 Satelliten, jetzt sind es schon 2500. Und es werden Woche für Woche mehr. Manche sind auch zu Testzwecken zerstört worden und haben sich in Tausende Teile Weltraumschrott verwandelt. Sie bedrohen nun eine kritische Infrastruktur, die für das Leben auch in Deutschland unverzichtbar geworden ist.

Wer im Konfliktfall Deutschlands Satelliten zerstört, legt nicht nur die Navigation und Kommunikation weitgehend lahm. Auch die Finanzmärkte brechen dann zusammen. Jede Überweisung braucht ihre Bestätigung durch ein Zeitsignal aus dem All. Die Luftfahrt selbst ist ebenfalls satellitengestützt. Kramp-Karrenbauer verweist nicht nur auf den Weltraumschrott, sondern auch auf „gezielte Attacken“. Das ist die Bedrohung durch Laser oder gefährliche Annäherungen.

Gerade verfolgt das Asoc einen abstürzenden Satelliten. Vor anderthalb Wochen ist er wieder eingetreten, hat mehrfach Deutschland überquert, weswegen auch das Katastrophenschutzamt aufmerksam wurde. In Uedem rechnen sie jetzt damit, dass er über dem Atlantik verglüht. Es könnte auch anders kommen. Wenn etwa alte sowjetische Großsatelliten mit Atomreaktor an Bord wiedereintreten. Da bleiben auch schon mal mehrere Meter große Reste über.

Sie gehören zu jenen 19.372 Objekten im All, die in Uedem erfasst sind. Wie sie sich bewegen, kann von nächstem Monat an mit dem brandneuen „GESTRA“-Radarsystem von der Schmidtenhöhe bei Koblenz noch besser verfolgt werden. „Wir werden dann auch kleinteiligeren Weltraumschrott identifizieren können“, sagt Kramp-Karrenbauer mit hörbarer Vorfreude in der Stimme. Interessiert sich die Operationszentrale in Uedem oder auch ein Partnerland für ein einzelnes spezielles Objekt, greift das Militär auf das TIRA-Radar in Wachtberg bei Bonn zurück. Es kann sogar die Drehrichtung von Kleinstsatelliten aufklären.

Auch in Uedem wird massiv investiert. Bis 2028 fließen knapp 200 Millionen Euro in 42 Bauvorhaben. Dann wird auch die neue Weltraumoperationszentrale nicht mehr in einer kleinen weißen Baracke untergebracht sein. sondern mit deutlich mehr Mitarbeitern in ein angemessenes Gebäude wechseln. In Kalkar und Uedem werden dann allein 1600 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stationiert sein. Hinzu kommen die Kameraden aus Partnerstaaten sowie viele Zivilbeschäftigte. Denn unter dem Dach der Operationszentrale arbeiten neben Bundeswehr und Bundespolizei auch Vertreter des Innen- und des Verteidigungsministeriums sowie weitere Spezialisten etwa für den Bevölkerungsschutz.

Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz stellt sich denn auch darauf ein, dass seine Position einen neuen Namen erhält, und die Raumfahrt dazukommt. Doch selbst ins All, jedenfalls bemannt, will die Luftwaffe (noch) nicht. 16 militärische Satelliten sind jedoch zu schützen. Und gut 200 weitere von deutschen Unternehmen und Forschungsstellen. Sie bewegen sich in 200 bis 40.000 Kilometern über der Erde. Und alle sind gefährdet durch die vielen Zehntausend Schrottteile, die selbst noch in der Größe von einem Zentimeter Durchmesser bei einem Tempo von acht Kilometern in der Sekunde ein erhebliches Zerstörungspotenzial entwickeln.

Manche Rakete bringt inzwischen schon 60 Satelliten auf einmal ins All. Das bedeutet, dass auch immer mehr am Ende ihrer Lebensdauer zurück zur Erde stürzen werden. In Uedem dürften die Damen und Herren 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche viel zu tun haben. Eigene Killersatelliten gehören nicht dazu. „Es geht nicht um Weltraumwaffen“, unterstreicht Gerhartz. Die All-Überwacher warnen lieber die Betreiber, damit die durch Verändern der Umlaufbahn drohende Kollisionen verhindern können. Allerdings verringern sie mit jedem solchen Manöver die Betriebsdauer. Schwere Entscheidungen sind das.

 Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (l.) stellt das neue Weltraumoperationszentrum der Luftwaffe in Uedem in Dienst.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (l.) stellt das neue Weltraumoperationszentrum der Luftwaffe in Uedem in Dienst.

Foto: dpa/Carsten Hoffmann

So komplex die Lage im All auch wird, zumindest eine gute Nachricht gibt es aktuell aus Uedem. Die Operationszentrale sieht sich von hier aus auch drohende Sonnenstürme an. Doch der Weltraumwetterbericht für diesen Dienstag lautet: „Alles ruhig.“ Wenigstens das.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort