Nach Drohung gegen Abweichler Unions-Fraktionschef Kauder kämpft um Autorität

Berlin · Die unvorsichtig ausgesprochene Drohung gegen Abweichler in den eigenen Reihen könnte für Volker Kauder zum Bumerang werden.

 Unionsfraktions-Chef Volker Kauder.

Unionsfraktions-Chef Volker Kauder.

Foto: dpa, pil fpt vfd

In der Unionsfraktion kursiert zurzeit ein Witz, in dem die Abgeordneten den Artikel 20 des Grundgesetzes neu texten und sagen: "Alle Staatsgewalt geht vom Volker aus." Die Verballhornung zielt auf Fraktionschef Volker Kauder (CDU), der mit der Androhung von Sanktionen gegen Abweichler den Zorn der Abgeordneten auf sich gezogen hat.

Die unvorsichtig ausgesprochene Drohung könnte in dieser Woche für den kantigen Fraktionschef zum Bumerang werden. Am Mittwoch muss der Bundestag über das dritte Hilfspaket für Griechenland abstimmen. Schon bei der Frage, ob die deutsche Regierung überhaupt noch einmal mit den Griechen über weitere Finanzhilfen verhandeln soll, stimmten 60 Unions-Abgeordnete mit Nein. Die Weigerungshaltung eines Fünftels der Fraktion war für Kauder und auch für Kanzlerin Angela Merkel ein herber Dämpfer.

Kauder - Mann für viele Aufgaben

Volker Kauder hält die Unionsfraktion schon so lange zusammen, wie Merkel Kanzlerin ist, seit knapp zehn Jahren. Er gehört zu jenen Vertrauten der Kanzlerin, die wegen ihrer großen Loyalität immer wieder Spott ertragen müssen. Für Merkel ist er nicht nur als Mehrheitsbeschaffer nützlich. Er pflegte auch über all die Jahre das Image des Konservativen und war damit immer eine Beruhigungspille für jene CDU-Anhänger, denen Merkels sozialliberaler Kurs suspekt war. Wenn es darauf ankommt, die Regierungsfähigkeit für die Union zu sichern, ist aber auch er Pragmatiker. Ansonsten hätten er und die Kanzlerin keine zehn Jahre miteinander ausgehalten.

Kauder hat viel mehr Humor, als man ihm zutraut, wenn man seine knurrigen öffentlichen Auftritte betrachtet. Doch wenn seine Autorität infrage steht, hört bei dem 65-Jährigen der Spaß auf. Die 60 Abweichler in seiner Fraktion sah er auch als persönliche Niederlage. Das mag erklären, warum er die politische Dummheit begangen hat, den möglichen Abweichlern offen mit der Konsequenz zu drohen, sie aus wichtigen Ausschüssen im Bundestag abzuziehen. Da steht schlicht das Grundgesetz gegen ihn, das den Abgeordneten zusichert, dass sie an "Aufträge und Weisungen" eben nicht gebunden sind. Ein Fraktionschef hat selbstverständlich dennoch die Macht, die Wünsche von Abgeordneten für diesen oder jenen Ausschuss zu erfüllen oder eben nicht. Das weiß ohnehin jeder Abgeordnete. Doch wenn man damit droht, wird dieses Schwert des Fraktionschefs stumpf, das wiederum weiß auch Kauder. Zur Disziplinierung der Abgeordneten darf der Fraktionschef formal nur seine Sitzungsglocke schwingen, um für Ruhe im Saal zu sorgen.

Die Zustimmung des deutschen Bundestags für das 86 Milliarden Euro schwere Hilfspaket ist nicht in Gefahr. Auf die SPD können sich Kauder und Merkel in dieser Frage verlassen. Wegen der übergroßen Regierungsmehrheit im Bundestag könnte sich die große Koalition sogar eine dreistellige Zahl an Abweichlern leisten, ohne dass ihre eigene Mehrheit in Gefahr wäre.

"Ich rechne damit, dass die 60 Abgeordneten, die der Aufnahme von Verhandlungen über das dritte Hilfspaket nicht zu zugestimmt haben, nun auch das Ergebnis ablehnen werden", sagte Carsten Linnemann, Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung, unserer Zeitung. Hört man sich unter den Abgeordneten um, ergibt sich aktuell das Bild, dass die meisten rund 60 Abweichlern erwarten - tendenziell aber ein paar mehr.

Je mehr verweigern, desto größer der Autoritätsverlust

Für Kauder wäre es aber ein erheblicher Autoritätsverlust, sollte die Zahl der Abweichler deutlich über 60 liegen. Abgerechnet wird am Dienstag bei der Fraktionssitzung und am Mittwoch im Bundestag. Viele Abgeordnete in der Unionsfraktion ringen noch mit ihrer Entscheidung. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs zum Beispiel ist ein Kritiker der Finanzhilfen für Griechenland, bislang hat er dennoch immer zugestimmt. "Ich werde mir anhören, was Finanzminister Schäuble zu sagen hat, und dann entscheiden", sagt Fuchs. Für ihn sei ausschlaggebend, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) weiter an den Finanzhilfen für Griechenland beteiligen werde.

Selbst Kauder hatte die Zustimmung seiner Fraktion an die Beteiligung des IWF geknüpft. Doch die hängt am seidenen Faden. Der IWF will für die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite nur dann weiter im Boot bleiben, wenn die Griechen die versprochenen Reformen auch tatsächlich umsetzen und wenn ihre Schuldentragfähigkeit gegeben ist. Die endgültige Entscheidung darüber wird aber erst im Herbst fallen. Schäuble wird den Abgeordneten also keine verbriefte Zusage des IWF für eine weitere Beteiligung geben können.

Wie groß die Zustimmung der Unionsfraktion zum dritten Hilfspaket wird, hängt am Ende an der Überzeugungskraft des Finanzministers, dem auch die Skeptiker in der Unionsfraktion trauen. Kauders Autorität steht dennoch mit zur Abstimmung. Dass sie in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt ist, dafür hat er mit seiner Drohung gegen mögliche Abweichler gesorgt.

(qua)
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