Interview mit Unionsfraktionschef Volker Kauder "Die Griechen sollen reinen Wein einschenken"

Berlin · Unionsfraktionschef Volker Kauder fordert im Interview mit unserer Redaktion, dass Deutschland in der Euro-Frage den Griechen gegenüber hart bleibt. Auch in der Debatte um Einwanderung bezieht er Stellung. In sichere Herkunftsländer solle künftig schneller abgeschoben werden.

 Volker Kauder spricht im Interview mit unserer Redaktion über Griechenland und die Ukraine.

Volker Kauder spricht im Interview mit unserer Redaktion über Griechenland und die Ukraine.

Foto: imago stock&people

Die Kanzlerin wirkt seit Jahresbeginn entschlossener und klarer als früher. Ist das den Umständen geschuldet oder können Sie eine grundsätzliche Veränderung feststellen?

Kauder: Die Kanzlerin war schon immer entschlossen und wusste, was sie will. So handelt sie auch jetzt.

Sichert sich Merkel mit den Vereinbarungen von Minsk einen Platz im Geschichtsbuch?

Kauder: Angela Merkel ist sicher eine herausragende Bundeskanzlerin und in Europa momentan die Führungsfigur, an der sich die anderen orientieren. Sie hat sich weltweit großen Respekt erarbeitet. Die Kanzlerin hat entscheidend zum neuen Minsker Abkommen beigetragen. Ob jemand wegen einer bestimmten Leistung einmal in die Geschichtsbücher kommt, sollte man nur im Rückblick sagen. Angela Merkel würde das sicher genauso formulieren.

Für wie valide halten Sie denn jetzt ausgehandelten Waffenstillstand?

Kauder Das Ergebnis von Minsk ist ein Zeichen der Hoffnung. Aber niemand kann genau sagen, ob der Waffenstillstand dauerhaft halten wird. Die Stunden, bis zu denen die Waffen um 0 Uhr am Sonntag schweigen sollen, sind schon kritisch genug. Aber das gilt auch für die Tage und Wochen danach, in denen sich beweisen muss, ob die Konfliktparteien ihre schweren Waffen tatsächlich abziehen. Dauerhaft halten wird der Waffenstillstand ohnehin nur, wenn es auch eine politische Verständigung gibt. Deutschland und Frankreich werden als Vermittler in den nächsten Monaten stark gefordert sein.

Wann ist es an der Zeit, Sanktionen gegen Russland wieder zu lockern?

Kauder Der russische Präsident Putin hat in Minsk bei den Verhandlungen eine konstruktivere Rolle als bisher gespielt. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht die Rücknahme der Sanktionen. Es kommt jetzt darauf an, wie sich Russland weiter verhält. Russland muss Einfluss auf die Separatisten nehmen, dass die ihre Waffen dauerhaft schweigen lassen. Und es muss sich zur Verantwortung bekennen, mit dafür zu sorgen, dass es eine dauerhafte politische Lösung in der Ostukraine gibt, die nicht nur den Interesse der Separatisten entspricht, sondern auch den legitimen Anliegen der Ukraine. Russland hat viel Vertrauen verspielt, das muss es jetzt erst einmal wieder aufbauen.

Rechnen Sie in der Euro-Frage mit einer Einigung zwischen Griechenland und Europa?

Eindrücke vom Minsker Friedensgipfel
17 Bilder

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Kauder Unsere Haltung ist klar. Wir stehen zu unseren Zusagen, aber nur bei Einhaltung der versprochenen Anstrengungen. Der Schlüssel zur Einigung liegt bei der griechischen Regierung. Sie hat lange versucht, Europa zu spalten oder zumindest ausgelotet, ob es sich spalten lässt. Dabei hat sie einsehen müssen, dass alle anderen Euro-Staaten bei ihrer Position bleiben. Nun scheint die griechische Regierung bereit zu sein, auf der Grundlage der bisherigen Abmachungen in Gespräche einzutreten, wie es weitergehen kann. Die Einsicht kommt reichlich spät, aber bitte. Wir müssen sehen, was sich nun bis Montag tut.

Sollte es auf europäischer Ebene doch Zugeständnisse an die Griechen geben, müsste darüber erneut der Bundestag abstimmen. Würde ihre Fraktion ein neues Paket ablehnen?

Kauder Es bleibt auch jetzt dabei: Griechenland muss den vereinbarten Weg der Haushaltskonsolidierung und der Strukturreformen zur Ankurbelung der Wirtschaft konsequent und ohne Abstriche fortsetzen. Ein Weniger kann es hier nicht geben, sonst gibt es sicher keine Zustimmung im Deutschen Bundestag. Es existiert eine lange Liste von Vorhaben, die nach dem bestehenden Programms noch abgearbeitet werden müssen. Ich bin gespannt, was die griechische Regierung anbietet, um die Maßnahmen zu ersetzen, von denen sie sich nun offenbar verabschieden will. Ich bin skeptisch, ob das gelingen kann.

Die Griechen treten gegenüber den Euro-Partnern äußerst selbstbewusst auf. Werden Sie mit diesem Stil durchkommen?

Kauder Sie haben wohl eingesehen, dass sie kooperieren müssen. Das heißt aber nicht, dass das übrige Europa den Griechen immer wieder Sonderkonditionen einräumen kann. Und noch eines: Der Stil, den die neue Regierung in den vergangenen zwei Wochen an den Tag gelegt hat, hat in meiner Fraktion zu erheblicher Verärgerung geführt.

Das heißt in der Konsequenz, dass es zu einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kommen kann?

Kauder Abwarten. Einer meiner Lieblingssätze lautet: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Dem wird sich auch die griechische Regierung stellen müssen. Ich hoffe immer noch auf die Einsicht von Herrn Tsipras und seiner Regierung in den nächsten Tagen. Sie sollte auch ihrem Volk einmal reinen Wein einschenken, wie es um das Land bestellt ist und dass es auf weiteres Geld angewiesen ist und dieses aber nur zu erhalten ist, wenn es weitere Anstrengungen gibt.

Damit nehmen Sie einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone in Kauf . . .

Kauder Mit Wenn-dann-Prognosen kann ich wenig anfangen . . .

Nach dem Merkelschen Prinzip muss man immer das Ende bedenken . . .

Kauder Das ist nicht nur ein Merkelsches Prinzip. So haben auch schon die alten Griechen gedacht. Nein: Wir können von den Prinzipien der Hilfen nicht abrücken. Und das wird irgendwann auch die neue Regierung in Athen einsehen, hoffentlich…

Noch ein Versuch: Wird Griechenland am Ende des Jahres noch im Euro sein?

Kauder Diese Entscheidung hat Griechenland selbst zu treffen. Ich bin sicher, dass Griechenland weiß, welche Vorteile es im Euro-Raum hat.

Die SPD und Teile der CDU sprechen sich für ein Einwanderungsgesetz aus. Gibt es in dieser Wahlperiode dafür eine Chance?

Kauder Bundesinnenminister de Maizière hat in diesen Tagen überzeugend dargelegt, dass wir bereits über flexible und weltweit anerkannte Möglichkeiten verfügen, Menschen ins Land zu holen, wenn dies zum Beispiel im Interesse der Wirtschaft notwendig ist. Diese Gesetzeslage sollten alle, die sich an der Diskussion beteiligen, zunächst einmal zur Kenntnis nehmen. Dann wird man schnell erkennen, dass die gezielte Anwerbung von Fachkräften schon heute kein Problem ist. Wir können aber nicht Menschen nach Deutschland holen, ohne dass es den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes gibt. Das war zum Beispiel lange im hochgelobten Kanada der Fall.

Bislang gelingt es nicht, den Fachkräftebedarf mit Einwanderung auch nur ansatzweise zu decken.

Kauder Das liegt aber nicht so sehr an den Zuzugsregeln. Ein Beispiel: In meiner Heimatregion schätzt die Wirtschaft, dass ihr bis ins Jahr 2020 etwa 12.000 hochqualifizierte Fachkräfte fehlen werden. Auf die Frage, was braucht Ihr genau, kommt die Antwort: 500 Akademiker und 11.500 Facharbeiter. Ich kann nicht erkennen, dass man 11.500 Facharbeiter mit der Qualifikation für Präzisionstechnik auf der ganzen Welt findet, weil es sie schlicht nicht gibt. Wir müssen die Menschen hier qualifizieren. Der Zuzug von außen wird längst nicht die Probleme lösen. Man darf sich da nichts vormachen.

Müssen weitere Länder wie beispielsweise der Kosovo als sichere Herkunftsländer eingestuft werden?

Kauder Wir sollten erst einmal in die vorhandenen sicheren Herkunftsstaaten mehr Asylbewerber, die keine Anerkennung bekommen können, abschieben. Es nutzt nichts, wenn wir einen Staat nach dem anderen zum sicheren Herkunftsstaat erklären und dann aber keine Abschiebungen stattfinden. Solange nicht konsequent abgeschoben wird, wird die ungesteuerte Einwanderung nach Deutschland immer weiter zunehmen. Dennoch bin ich bereit, auch über die Anerkennung weiterer sicherer Herkunftsländer zu reden. Die Kommunen und die Länder wollen das. Aber noch einmal: Die Anerkennung von weiteren sicheren Herkunftsstaaten löst das Problem allein nicht. Und das gilt auch für die Forderung, die Verfahren zu beschleunigen. Selbst wenn diese noch schneller abgeschlossen werden könnten, bliebe doch die Frage: Und wie geht es mit den abgelehnten Bewerbern weiter? Auch dazu müssen die Länder einmal Konkreteres sagen.

Die CDU bundesweit sonnt sich in Umfragewerten von deutlich über 40 Prozent. Warum gelingen solche Werte nicht in Großstädten wie Hamburg?

Kauder Wir haben auch Großstädte, in denen wir gut liegen. Warten wir mal den Wahlsonntag ab.

Eva Quadbeck führte das Gespräch.

(qua)
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