Militärgeheimdienst sollte Journalisten ausspähen Ungeheuerliche Zustände in von der Leyens Ministerium

Meinung | Berlin · Hinter der schleppenden Aufarbeitung der G-36-Pannen bei der Bundeswehr steckt noch eine viel brisantere Thematik. Es geht um eine geradezu abenteuerliche Auffassung im Verteidigungsministerium, den militärischen Geheimdienst gegen störende Medienberichte einsetzen zu können. Ministerin von der Leyen wird tief graben müssen. Und der Bundestag auch.

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Foto: dpa, lof

Dieses Drehbuch hätte eigentlich nur für billige Verschwörungsfilmchen aus Bananenrepubliken getaugt: Waffenproduzent stört sich an kritischen Berichten über seine Produkte, bittet den Geheimdienst, gegen die Journalisten vorzugehen, und wird dabei auch noch vom Ministerium als vorgesetzte Behörde offiziell unterstützt.

Ernst zu nehmende Fernsehproduzenten hätten den Plot als zu platt abgelehnt. Um so fassungsloser stehen die Mitglieder des Verteidigungsausschusses vor dem Befund, dass genau das ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit des Verteidigungsministeriums gewesen sein soll.

Die Sache an sich ist schon ein Skandal. Die einzig verlässliche Größe scheint der Militärische Abschirmdienst selbst zu sein, der das Begehren der Rüstungsfirma und des Rüstungs-Abteilungsleiters einfach ablehnte. Er scheint als Einziger der Beteiligten erkannt zu haben, dass hier nichts anderes passieren sollte als ein eklatanter Verfassungsbruch.

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Die Rolle der Ministerin ist schon nicht mehr so eindeutig zu klären: Dass der Vorgang ihr Büro erreicht haben soll, aber nicht sie selbst, passt nicht zu den angeblich durchgreifenden Mechanismen, die sie als Charakteristikum ihres Arbeitsstiles vorgibt. Folgerichtig stellte sie bereits "strukturelle und personelle Konsequenzen" öffentlich in den Raum.

Das reicht jedoch bei weitem nicht aus. Die Hintergründe dieses Denkens müssen lückenlos aufgeklärt werden, um auch aus der Motivlage weitere Konsequenzen ziehen zu können. Drei Annahmen bieten sich an, die, sollten sie sich bewahrheiten, allesamt ungeheuerlich wären.

Erstens: Hat der Abteilungsleiter in einem Augenblick völliger geistiger Umnachtung seine Verpflichtung auf die Verfassung vergessen? Dann stellt sich die Frage, warum er im Abstand mehrere Tage mehrfach Druck auf den MAD ausübte, mit geheimdienstlichen Mitteln gegen die angeblich "unwahre Medienkampagne" vorzugehen. Vor allem bliebe dann zu klären, warum ihm seine Spitzenbeamten nicht in den Arm fielen und zur Einhaltung von Recht und Gesetz gemahnten, statt ihrerseits, wie ausgerechnet der Projektleiter für das G36, offenbar auch noch mit dem Vermerk einer "gesteuerten Kampagne" das Vorgehen zu befeuern.

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Foto: Bundeswehr

Das führt, zweitens, zu dem Verdacht, dass das Unrechtsbewusstsein ausgeschaltet gewesen sein könnte, weil der Vorgang als durchaus üblich angesehen worden sein mag. Dann stellt sich die Frage, ob angesichts der Vielzahl von Pleiten, Pech und Pannen bei deutschen Rüstungsprojekten auch schon bei anderen kritischen Berichten der Reflex vorhanden war, statt das Problem selbst zu lösen nur die kritische Berichterstattung darüber zu unterbinden.

Damit hängt dann, drittens, die Ahnung zusammen, dass die Beziehungen zwischen den Rüstungsbestellern auf der Seite des Staates und den Rüstungsproduzenten auf der Seite der Wirtschaft so eng und vertrauensvoll sein könnten, dass die Beteiligten nichts daran finden, dass ein Waffenhersteller den Geheimdienst zum Mundtotmachen seiner Kritiker einschalten will und darin auch noch von seinen Gesprächspartnern (oder besser Kumpanen?) im Ministerium unterstützt wird.

Möglicherweise gibt es noch weitere Erklärungsansätze. Aber schon diese drei machen klar, dass es mit ein paar Umbesetzungen und Umorganisationen im Umfeld der Ministerin nicht getan ist. Dieser Abgrund an versuchtem Verfassungsverrat muss gründlichst durchleuchtet werden.

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Daran wird nicht nur abzulesen sein, ob von der Leyen ihrem Amt gewachsen ist, daran muss sich auch erweisen, ob die parlamentarische Demokratie die Reinigungskraft besitzt, ministerielle Missstände nachhaltig aus der Welt zu schaffen. Deshalb hat der Verteidigungsausschuss keine andere Wahl, als sich so schnell wie möglich in einen Untersuchungsausschuss zu verwandeln und sich einen Weg durch das offensichtliche Rüstungsdickicht zu bahnen.

(-may)
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