Verteidigungsministerin tritt zurück Wer könnte Lambrecht ablösen?

Analyse | Berlin · Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat ihr Amt nun offiziell niedergelegt. Doch die Suche nach Ersatz ist kompliziert – und steht unter Zeitdruck. Ein Überblick über Optionen.

Christine Lambrecht am 12. Januar bei einem Besuch der Erzgebirgskaserne in Sachsen.

Christine Lambrecht am 12. Januar bei einem Besuch der Erzgebirgskaserne in Sachsen.

Foto: dpa/Robert Michael

Der Druck auf Christine Lambrecht (SPD) war zuletzt enorm groß, zu den vielen Fehltritten kommt nun ein schlechtes Timing für ihren Rücktritt als Verteidigungsministerin. Denn am kommenden Freitag steht ein wichtiges Treffen in Ramstein an, bei dem die westlichen Verbündeten unter anderem über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine sprechen wollen - für eine neue Verteidigungsministerin wäre das ein Spurt von Null auf Hundert mit Kaltstart. Dennoch: Der Entschluss von Christine Lambrecht, ihr Amt niederzulegen steht fest, auch wenn sie dann möglicherweise noch in Ramstein dabei sein wird. Doch wer könnte ihr nachfolgen? In Berlin werden vor allem diese Optionen gehandelt:

Eva Högl (54, SPD) Die Wehrbeauftragte des Bundestags gilt als eine der Favoritinnen für die Lambrecht-Nachfolge. Sie ist als bisherige „Anwältin der Soldaten“ im Stoff, soll sich nach Amtsantritt 2020 rasch eingearbeitet haben und fordert seitdem immer wieder Reformen und eine bessere Ausstattung ein. Ungewöhnlich wäre der Sprung gewissermaßen von der Aufsichtsratschefin zur Vorstandsvorsitzenden aber schon. Und unklar ist auch, ob der Kanzler genug Vertrauen in sie hat, um den komplizierten Job zu übernehmen - Erfahrung als Ministerin hat die Juristin Högl bislang nicht.

Siemtje Möller (39, SPD) Die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium hat bislang eine beachtliche Karriere hingelegt. Nach ihrem Einzug in den Bundestag 2017 wurde sie Mitglied im Verteidigungsausschuss, später Mitglied im Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre im Verteidigungsministerium und war im Jahr 2021 verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Daneben leitete sie den konservativen Seeheimer Kreis in der Fraktion. Nach der Wahl wechselte sie ins Ministerium. Doch weder als Seeheimer-Sprecherin noch bislang als Staatssekretärin konnte sie wirklich punkten, in der Fraktion und im Ministerium hat sie nicht nur Freunde.

Hochrangige Militärs Möglich scheint mittlerweile auch, dass eine hochrangige Frau aus der Bundeswehr selbst an die Spitze des Ministeriums wechseln könnte. Scholz würde damit ein ungewöhnliches und zugleich starkes Signal setzen. Politisch sind er und sein Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt wegen des Kriegs in der Ukraine und im Zuge der von Scholz ausgerufenen Zeitenwende ohnehin in die meisten Entscheidungen zur Ausrüstung, Aufrüstung und zu Waffenexporten eingebunden.

Dass Scholz sich von der Parität im Kabinett verabschiedet, gilt als ausgeschlossen. Zumal der Eindruck entstehen könnte, dass er, wenn es schlecht läuft, doch wieder nur Männer auf die schwierigen Posten hievt. Als sofort geeignet gelten SPD-Chef Lars Klingbeil (44), der aus einer Soldaten-Familie stammt, sich in der Verteidigungspolitik auskennt und den größten Heeres-Standort Munster in seinem Wahlkreis hat. Und Arbeitsminister Hubertus Heil (50), der im Kabinett als leistungsstark gilt und schon viele Führungspositionen innehatte. Doch mit beiden wären diverse Probleme verbunden: Mit Heil ist bereits ein Mann aus Niedersachsen im Kabinett, Klingbeil könnte allein aus Proporz- und Paritätsgründen nicht einfach hinzukommen. Zumal es in der SPD große Vorbehalte gibt, sollte er als SPD-Chef eine Doppelrolle mit Ministerposten einnehmen.

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Bliebe ein Tausch: Hubertus Heil könnte zwar ins Verteidigungsministerium wechseln, was für ihn wohl einer Strafversetzung gleichkäme, weil er sich im Arbeitsministerium pudelwohl fühlt. Dann müsste aus Paritätsgründen aber eine Frau an der Spitze des Arbeitsministeriums nachfolgen. Dass die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles (52), nach Berlin zurückkommen würde, gilt als nahezu ausgeschlossen - sie war 2019 in einer schweren Parteikrise nach heftigen Anwürfen als Partei- und Fraktionschefin gegangen und zeigt keinerlei Ambitionen für eine Rückkehr. Denkbar wäre noch, die profilierte Expertin für Arbeit und Soziales Katja Mast (51) ins Arbeitsministerium zu setzen. Sie ist derzeit Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Über Erfahrungen als Ministerin verfügt sie jedoch nicht.

Eins ist sicher: Kanzler Scholz wird die Entscheidung allein treffen und nur im kleinsten Kreis besprechen. Das Berliner Regierungsviertel ist dennoch in Aufruhr.

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