"Minikopfpauschale" sei extrem bürokratisch und zu teuer Versicherte zahlen mehr für Krankenversicherung

Berlin (rpo). Gegen den Widerstand der Opposition hat die rot-grüne Koalition im Bundestag die neue Finanzierung des Zahnersatzes beschlossen. Die rot-grüne Mehrheit im Parlament kippte damit die ursprünglich für Anfang 2005 geplante Zusatzversicherung mit Pauschalbeitrag. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte im Vorfeld kräftig Werbung für ihre neue Finanzierung gemacht.

Die gesetzliche Krankenversicherung wird zum 1. Juli 2005 für Arbeitnehmer spürbar teurer. Dafür werden Arbeitgeber um 4,5 Milliarden Euro bei den Lohnnebenkosten entlastet. Dies beschloss die rot-grüne Mehrheit am Freitag im Bundestag mit der neuen Zahnersatzregelung. "Endlich haben Millionen Versicherte Klarheit", betonte Sozialministerin Ulla Schmidt. "Die gefundene Lösung ist unbürokratisch und sozial gerecht." Die Union warf ihr hingegen vor, den Gesundheitskonsens aufzukündigen.

Darin war vergangenes Jahr auf Drängen der CDU vereinbart worden, dass der Zahnersatz ab 1. Januar 2005 als Kassenleistung gestrichen und über eine Sonderpolice mit Pauschalbeitrag abgesichert wird. Ab Januar 2006 sollte ein Sonderbeitrag für das Krankengeld erhoben werden. Stattdessen werden zum 1. Juli 2005 zwei Sonderbeiträge fällig: 0,4 Prozent vom Bruttolohn für die künstlichen Zähne und 0,5 Prozent zusätzlich für Krankengeld. Daran beteiligen sich der Arbeitgeber nicht mehr.

Schmidt verteidigte das Abrücken vom Konsens und die neue Lösung. Experten hätten von Anfang an Schwierigkeiten bei der "Minikopfpauschale" für den Zahnersatz vorausgesagt. Doch sei diese Lösung von CDU-Chefin Angela Merkel zur Vorbedingung für den Gesundheitskompromiss gemacht worden. Deshalb habe man an der Umsetzung gearbeitet. Diese sei aber nicht möglich gewesen. Überbordende Bürokratie hätte allein zwei Euro im Monat gekostet, sagte Schmidt.

Die jetzige Lösung sei sozialverträglicher. Ein Rentner mit 500 Euro zahle nur einen Euro mehr für Zahnersatz als bisher, statt der Pauschale von bis zu acht Euro. Dennoch werde das Ziel erreicht, die Arbeitskosten zu entlasten. Die Koalition habe den Mut gehabt, eine falsche Entscheidung zu ändern. Auch Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender meinte: "Es wäre schön, wenn auch die Union mal Lernfähigkeit beweisen würde."

Abwanderung von Gutverdienern befürchtet

Die Union stimmte jedoch mit FDP und PDS gegen die neue Lösung. Sie kann das Gesetz im Bundesrat allerdings nicht mehr stoppen. Schmidt habe die Pauschale nie gewollt und nie ernsthaft daran gearbeitet, sagte CDU-Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz. Die Probleme bei der Ausgestaltung - der Beitragseinzug für Rentner und Arbeitslose für die Sonderpolice - wären einfach lösbar gewesen. Die behaupteten Bürokratiekosten seien weit übertrieben. Auch belaste die Neuregelung Gutverdiener in der gesetzlichen Krankenversicherung über Gebühr.

Für Kassenmitglieder, die auf ihr Einkommen bis zur Bemessungsgrenze von 3.487,50 Beiträge zahlen müssen, betragen die Sonderbeiträge für Zahnersatz und Krankengeld insgesamt bis zu 31,40 Euro. Hier haben offenbar auch die Krankenkassen Bedenken. "Für die freiwillig Versicherten ist die Belastung so hoch, dass das mit Sicherheit Überlegungen in Richtung Privatversicherung in Gang setzen wird", sagte Gerhard Schulte, Chef des bayerischen Landesverbands der Betriebskrankenkassen, der "Financial Times Deutschland".

Mit ihrem Gesetz will Rot-Grün die Krankenkassen zwingen, ebenfalls zum 1. Juli 2005 den regulären, vom Arbeitgeber mitfinanzierten Kassenbeitrag um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Da die Entlastung zur Hälfte auch Arbeitnehmern zu Gute kommt, steigt ihr Beitrag unterm Strich um 0,45 Prozentpunkte.

(afp)
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