Soziale Sicherung Verlust-Geschäft mit der Rente

Berlin (RP). Die alten Menschen werden immer mehr, die Beitragszahler immer weniger. Schon lange schwant Bürgern, dass sie mit ihrem Zwangseintritt in die gesetzliche Rentenversicherung kein gutes Geschäft machen.

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Foto: ddp

Der Sozialexperte Meinhard Miegel hat für das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) nachgerechnet: Danach droht manchen Jahrgängen tatsächlich eine negative Rendite: Sie zahlen mehr ein, als sie aus der Kasse herausbekommen.

Ein lediger Mann zum Beispiel, der 1990 geboren wurde, bekommt für jeden Euro, den er einzahlt, nur 99 Cent wieder heraus. Wer 2010 geboren wird, muss sich sogar mit 92 Cent bescheiden (siehe Grafik). Für diese Jahrgänge ist die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung negativ. Für Frauen sieht es besser aus, da sie eine längere Lebenszeit haben und damit länger Rente beziehen.

Verlust-Geschäfte hält Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, für nicht hinnehmbar. "Rentenbeiträge kommen in eine verfassungsrechtliche Problemzone, wenn das eingezahlte Kapital regelhaft bei weitem das übersteigt, was der Einzelne später an Leistungen erhält", sagte Papier der Zeitung "Welt". Wenn dauerhaft eine Minusrendite zu erwarten sei, stelle sich die Frage, "ob der mit der Beitragserhebung verbundene Grundrechtseingriff noch zu rechtfertigen ist". Schließlich verbiete die Verfassung eine "offenkundige Unverhältnismäßigkeit zwischen Beitrags- und Versicherungsleistungen". Ökonomen sagen es so: Das Äquivalenzprinzip muss gewahrt bleiben.

Sind künftige Renten unverhältnismäßig klein gegenüber den Beiträgen? Oder sind die Beiträge unverhältnismäßig hoch gegenüber den Renten? Darüber streiten die Experten.

75 Prozent für Altersrente

Die Rentenversicherer weisen die Studie von Miegel zurück. Sie berücksichtige nicht, dass der Bürger mit seinem Beitrag nicht nur Anspruch auf eine Altersrente erwirbt, sondern auch für den Fall der Fälle Ansprüche auf Erwerbsminderungs- und Witwenrenten sowie auf Rehabilitationsleistungen. In der Tat: Von den 212 Milliarden Euro, die die gesetzlichen Rentenversicherer 2005 ausgaben, entfielen nur 75 Prozent auf die Altersrente. 18 Prozent gingen an hinterbliebene Witwen und Witwer, 7,2 Prozent an Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr (voll) arbeiten können. Diese zusätzlichen Versicherungsleistungen erkennt auch Verfassungsrichter Papier an.

Das Miegel-Institut betont, diesen Aspekt habe man, wenn auch stark vereinfacht, berücksichtigt. So seien die Beiträge zur Rentenversicherung nicht in voller Höhe, sondern nur zu 80 Prozent in die Berechnung eingegangen. Anders als die Regierung habe man realistische Annahmen über das Wachstum der Löhne (2,5 Prozent) und zur Arbeitslosenquote (2025: 7,3 Prozent) getroffen.

Politiker in Berlin lehnen die Miegel-Studie dennoch ab. Wohl auch, weil sie ansonsten mit einer neuen Rentenreform einen weitere Großbaustelle aufmachen müssten.

Beraterverträge bei Finanzdienstleistern

Elke Ferner, stellvertretende Chefin der SPD-Bundestagsfraktion, widerspricht der Behauptung, dass sich eine negative Rendite ergibt: "Selbst bei einer Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf das 67. Lebensjahr werden Versicherte weiterhin eine Rendite für ihre Beitragszahlungen erhalten. Dies belegen auch Untersuchungen des Sachverständigenrats und der Stiftung Warentest." Zugleich wirft sie Kritikern wie Miegel und dem Freiburger Ökonomen Bernd Raffelhüschen vor, "interessengeleitet" zu rechnen. "Es fällt auf, dass diejenigen, die Kritik formulieren, vielfach gut dotierte Beraterverträge bei Finanzdienstleistern besitzen." Es überrasche daher nicht, "dass von dieser Seite auch keine Äußerungen zu den zukünftigen Problemen von Lebensversicherungen erfolgen".

Auch der Rentenexperte der Unionsfraktion, Peter Weiß, verteidigte die Rentenpolitik der Regierung als alternativlos. Andernfalls müsste man den Rentenbeitrag weiter erhöhen, was in Zukunft die Probleme noch verschärfen würde. "Wie soll denn dann später die Rente derjenigen finanziert werden, die beispielsweise 25 Prozent eingezahlt haben?" Weiß räumte aber ein, dass das Äquivalenz-Prinzip nicht gänzlich ausgehebelt werden dürfte. "Wenn man, unabhängig von dem was man für die Rentenkasse bezahlt hat, nur noch eine Grundrente bekommt, dann ist das verfassungswidrig", sagte Weiß unserer Zeitung. So weit absehbar, werden seine Enkel genau das erleben.

(Rheinische Post)
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