Wahlrecht Der böse Plan der Ampel-Koalition
Meinung | Berlin/Düsseldorf · Bislang war es guter parlamentarischer Brauch, ein neues Wahlrecht zusammen mit der Opposition zu beschließen. Diesmal nicht. Die Folgen dürften noch lange zu spüren sein.
Nun hat die Ampel-Koalition das neue Wahlrecht im Alleingang beschlossen. Alle Parteien der Opposition – Union, Linke und AfD haben dagegen gestimmt. Eine gute parlamentarische Übung wurde aufgegeben. Die Folgen dürften noch lange zu spüren sein. Positiv an den neuen Regeln zur Wahl des Bundestags ist die Verkleinerung des Parlaments von jetzt 736 auf jetzt genau 630 Abgeordnete. Das war überfällig. Und daran war die Vorgängerregierung aus Union und SPD gescheitert. Auf über 1,1 Milliarden Euro ist die Finanzierung der aufgeblähten Volksvertretung gewachsen, 2016 waren es noch 860 Millionen Euro. Ein schwerfälliger und teurer Bundestag unterminiert das Vertrauen in die Demokratie.
Doch die Verkleinerung war offenbar von der Ampel-Koalition nur vorgeschoben, um das Wahlrecht zu ihren Gunsten zu ändern. Künftig gibt es keine Garantie mehr für einen Bewerber oder eine Bewerberin, beim Gewinn des Wahlkreises auch in den Bundestag tatsächlich einzuziehen. Das wird nur bei den sicheren der Fall sein, über die sonstigen Sitze entscheiden die übergeordneten Gremien der Partei, die manche auch Kungelrunden nennen. Der Sieg im Wahlkreis ist damit reiner Hoffnungswert. Der Parteibasis wird wieder ein Stück Mitsprache genommen, sperrige Abgeordnete werden es schwerer haben, sich gegen die Parteiführung durchzusetzen.

Das ist das Kabinett der Ampel-Koalition um Olaf Scholz
Vollends absurd aber wird es durch die Einführung der strikten Fünf-Prozent-Klausel ohne Ausnahmen. Dann könnte etwa die CSU den Einzug in den Bundestag verpassen, selbst wenn sie alle 46 Direktmandate in Bayern gewinnt, aber nur 4,9 Prozent aller bundesweiten Stimmen erreicht. Das ist möglich, weil die Koalition die Grundmandatsklausel gestrichen hat. Hinter dem technischen Begriff verbirgt sich die Regel, dass eine Partei, die drei Direktmandate erringt, in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen kann, auch wenn sie unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde liegt. Jetzt ziehen die Direktmandate nicht mehr. Der CSU wäre komplett draußen. Das Gleiche gilt für die Linkspartei, die bei der letzten Wahl unter fünf Prozent blieb, aber drei Direktmandate holte.

Was der Regierung gut gelang – und was nicht
Die Ampel-Koalition könnte sich damit zwei lästige Oppositionsparteien – von rechts und von links – vom Halse halten. Ihre Wahlchancen für 2025 hat sie jedenfalls mit diesem Kniff deutlich verbessert. Die Wahlrechtsreform wird so zu einem Instrument, das vor allem dem Machterhalt der Ampel-Koalition dient. Das ist auch dann verwerflich, wenn dies nicht die erste Motivation der neuen Regeln war. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das letzte Wort. Hoffentlich korrigiert es das misslungene Reformwerk.