Reaktion auf Nawalny-Vergiftung Altmaier zweifelt am Erfolg von Sanktionen gegen Russland

Berlin · Der Bundeswirtschaftsminister nennt Nawalnys Vergiftung einen „feigen Mordanschlag“. Bei „Hart aber Fair“ bezweifelt Altmaier aber, dass Sanktionen gegen Russland positive Veränderungen brächten. Die britische Regierung hat den russischen Botschafter einbestellt.

 Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier

Foto: AFP/MICHAEL SOHN

Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat die Wirksamkeit von Sanktionen gegen Staaten wie Russland in Frage gestellt. Der CDU-Politiker verurteilte die Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny am Montagabend scharf. „Das war ein feiger Mordanschlag an einem russischen Bürger in Russland - mit Materialien, die man nicht im Supermarkt kaufen kann. Das muss aufgeklärt werden“, sagte Altmaier in der ARD-Sendung „Hart aber fair“. Geschehe dies nicht, müssten sich der Westen und die EU mit der Antwort darauf befassen.

Er kenne aber keinen Fall, in dem ein Land wie Russland durch Sanktionen zu einer Verhaltensänderung bewegt worden sei, sagte Altmaier. Diese führten eher zu einer Verhärtung der Politik. „Wir müssen auch die Frage klären, was wir denn mit unseren Sanktionen erreichen wollen: Geht es nur darum, in den Spiegel zu schauen, oder geht es darum, etwas positiv für Menschenrechte zu erreichen und zu schaffen?“

In Deutschland wird als Konsequenz aus der Vergiftung Nawalnys diskutiert, ob der Bau der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 gestoppt oder zumindest ausgesetzt werden sollte. Die Bundesregierung lässt die Zukunft des Projekts bislang offen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) halte es aber auch für falsch, etwas auszuschließen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Außenminister Heiko Maas hatte am Wochenende gesagt, er hoffe, dass Russlands Reaktion nicht dazu führe, dass man das Projekt überdenken müsse. Seibert sagte, es sei viel zu früh, irgendeine Aussage über Sanktionen zu machen. Man erwarte zuvor eine Erklärung der russischen Regierung zu den Hintergründen des Giftanschlages. Im übrigen habe die EU eine Rechtsgrundlage für Nord Stream 2 gegeben, das ein europäisches und kein deutsches Projekt sei.

Auch Altmaier betonte: „Es ist nicht die Zeit, irgendetwas auszuschließen, sonst würden wir uns ja selber schwächen.“ Durch einen Stopp des Pipeline-Projekts komme aber zunächst einmal kein Kubikmeter Gas weniger in den Westen. Wichtig sei, dass man den Einfluss auf die Zivilgesellschaft behalte. „Die Menschen in Russland sagen nicht: "Verhängt Sanktionen auf Teufel komm raus." Sie sagen: "Setzt Euch für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ein."“

Altmaier versicherte: „Ich würde niemals irgendeinem Land auf dieser Welt einen Freibrief ausstellen.“ Man dürfe aber nicht glauben, dass man seine moralische Pflicht erledigt habe, wenn man laut genug Abscheu und Empörung äußere und Sanktionen beschließe. „Das reicht nicht, um unsere Verantwortung für weltweite Stabilität umzusetzen.“ Deswegen müsse man mit Russland reden. „Wir müssen sehen, wann Wirtschaftssanktionen sinnvoll sind. Das entscheiden wir als Europäer gemeinsam.“

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung hat sich erneut gegen Sanktionen in Form eines Baustopps für die Ostseepipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. Zwar sei bei der Aufklärung des Verbrechens an Alexej Nawalny nun zunächst Russland am Zug, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dem „Spiegel“. „Aber dieses Verbrechen darf nicht dazu benutzt werden, Nord Stream 2 in Frage zu stellen.“ Jene, die nun einen Baustopp für die Gaspipeline von Russland nach Deutschland verlangen, schon immer Gegner des Projekts gewesen.

Die britische Regierung hat unterdessen den russischen Botschafter in London einbestellt. „Der Außenminister (Dominic Raab) hat klar gemacht, dass es absolut unakzeptabel ist, dass eine verbotene chemische Waffe eingesetzt und dass erneut Gewalt gegen einen führenden russischen Oppositionellen angewandt wurde“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Es sei an Russland, zu antworten. Russland müsse eine „vollumfängliche, transparente, strafrechtliche Ermittlung“ zu Nawalnys Vergiftung anstrengen.

(juju/dpa)
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