Verfassungsschutzbericht 2017 Verfassungsschutz meldet „Boom“ in allen Geschäftsfeldern

Berlin · Gewaltbereitschaft und -potenzial nehmen bei Links- wie Rechtsextremisten weiter zu. Sorgen bereiten auch die Kinder der Islamisten.

 Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Innenminister Horst Seehofer in der Bundespressekonferenz.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Innenminister Horst Seehofer in der Bundespressekonferenz.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Es braut sich was zusammen über Deutschland. 13.000 gewaltbereite Rechtsextremisten, 9000 gewaltbereite Linksextremisten, 774 islamistische Gefährder, die jederzeit Anschläge begehen könnten. Schon diese Zahlen aus seinem jüngsten Jahresbericht für 2017 bereiten Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Sorgen. Dazu kommen mehr oder weniger unübersichtliche Verbindungen an den Rändern.

Da ist ganz links der seit den G-20-Gewaltorgien in Hamburg als erfolgreich zu wertende Versuch, Brücken von Linksextremisten über Linksradikale bis zu den Linken zu bauen, und damit die Akzeptanz für Gewalt in Teilen der Gesellschaft zu erhöhen. Und da ist auf der anderen Seite die Entwicklung in der rechten Szene, wo die Identitären und die Reichsbürger über Zulauf offenbar nicht klagen können und die in Einzelfällen bis in die Anhängerschaft der AfD reicht. 10.000 Reichsbürger vor zwei Jahren, 16.500 im Jahresbericht, und inzwischen schätzen die Behörden das Potenzial derer, die diesen Staat nicht anerkennen und zu unvorhersehbaren Reaktionen neigen, auf 18.000 ein. Sie eint der Hang zu Waffen.

Zudem haben viele der sehr unterschiedlich aufgestellten und wenig organisierten Reichsbürger antisemitische Einstellungen. Das findet auch der Zentralrat der Juden besorgniserregend und fordert, „dass die Politik stärkere Maßnahmen gegen Rechtsextremismus ergreifen muss“. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) macht an der Seite Maaßens klar, dass „auf deutschem Boden für Judenhass kein Platz“ sei.

„In allen unseren Geschäftsfeldern boomt es weiter, leider“, meint Maaßen leicht sarkastisch. Damit bezieht er auch die Spionageabwehr und die Cyberattacken mit ein. Monatlich 52.000 Angriffe auf das Regierungsnetzwerk, im vergangenen Jahr auch Angriffe auf 23 deutsche Universitäten. Da will sich Maaßen nicht zu tief in die Karten schauen lassen und fällt Seehofer ins Wort, als der freudig verkünden will, wie viele neue Stellen der Bundestag dem Bundesamt für Verfassungsschutz genehmigt hat. Er nennt lieber andere Zahlen: die 2300 Observationen, die die BfV-Mitarbeiter allein mit 460.000 Stunden Aufwand im vergangenen Jahr leisteten – die Hälfte davon, um Islamisten im Auge zu behalten. Kinder sind nicht darunter, die sind für die Verfassungsschützer tabu. Aber um rund 300 macht sich Maaßen gleichwohl besondere Gedanken. Die seien mitten im Islamischen Staat groß geworden, lebten jetzt in Deutschland, seien aber im Zeichen einer „Umkehr der uns bekannten Lebenswerte“ erzogen worden.

Die Bedrohung aus der auf 11.200 Personen angewachsenen Salafisten-Szene bezieht Maaßen auf „vier M“. Die Gefahr der Radikalisierung Einzelner habe zu tun mit Männern, Muslimen, Migranten und deren Misserfolg. Und sie ist regional zu verorten. Schwerpunkte lägen in Berlin, Hamburg, Frankfurt und im Rhein-Ruhr-Gebiet zwischen Dinslaken und Bonn-Bad Godesberg.

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