Gewerkschaft protestiert gegen Sozialpolitik Verdi kündigt bundesweite Proteste an

Frankfurt/Main (RPO). Bei einer Protestaktion auf dem Frankfurter Flughafen hat der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, am Freitag bundesweiten Widerstand gegen die Sozialpolitik der Bundesregierung angekündigt.

Frank Bsirske: Stationen eines Berufsfunktionärs
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Deutschland sei eine Steueroase für Vermögende und reiche Erben, sagte Bsirske. Manager in Banken, die auf staatliche Bürgschaften angewiesen seien, genehmigten sich üppige Boni und Pensionen, gleichzeitig propagiere Schwarz-Gelb die Rente mit 67. Die SPD-Europaabgeordnete Jutta Steinruck kritisierte auf der Kundgebung mit rund 100 Teilnehmern die Liberalisierung der Vorfelddienste auf Flughäfen.

Auch am Flughafen seien Tausende Beschäftigte von einer ungerechten Steuer- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung betroffen, sagte Bsirske. Jobs gebe es hauptsächlich noch bei Leiharbeitsfirmen, immer weniger Auszubildende würden übernommen. "Hier auf dem Gelände bieten 200 Personalfirmen ihre Dienste an, und viele Arbeitnehmer brauchen zum Überleben zwei Jobs gleichzeitig." Steinruck bemängelte, dass immer mehr Vorfelddienste, darunter selbst die Enteisung von Flugzeugen, an Leihfirmen übertragen würden. "Bei den Löhnen beginnt dadurch eine Preisspirale nach unten."

Bsirske und Steinruck forderten die Einführung von Mindestlöhnen und von der Bundesregierung eine "Kehrtwende bei der Arbeitsmarktliberalisierung". Steuerlich müssten auch die "starken Schultern der Gesellschaft" mehr belastet werden, sagte der Verdi-Chef. Allein mit Vermögenssteuern im EU-Durchschnitt könnte der Staat jährlich 33 Milliarden Euro mehr einnehmen. Manager der auf Bürgschaften angewiesenen "Skandalbank Hypo Real Estate" hätten sich Pensionen auf Lebenszeit in Höhe von 15.000 oder 20.000 Euro pro Monat gesichert. "Zahlbar ab 60. Das ist krass", rief Bsirske.

Bsirske: Soziale Schieflage nicht gottgegeben

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe drastische Sparmaßnahmen angekündigt, weil die Deutschen jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt hätten. "Wen meint sie eigentlich?", fragte Bsirske. In ihrem Sparpaket habe die Regierung beschlossen, Arbeitslosen den bisher gezahlten Rentenbeitrag zu streichen, bei Vermögenden aber steuerlich "eine Nullnummer hingelegt". Wegen hoher Belastungen der Sozialetats stünden auch viele Kommunen jetzt vor dem Finanzkollaps. Gegen "diese soziale Schieflage der Politik von CDU/CSU und FDP" werde die Gewerkschaft nun Widerstand mobilisieren.

Vom 24. Oktober bis 13. November ruft Verdi unter dem Motto "Gerecht geht anders!" zu Aktionen in Betrieben, Behörden und in der Öffentlichkeit auf. An den Protesten werde sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beteiligen, sagte Bsirske. Eine gemeinsame Kundgebung von Verdi und DGB finde am 10. November in Frankfurt statt. Geplant sei, auch in Betriebsversammlungen und mit Unterstützung von Betriebsräten landesweit Widerstand zu organisieren. "Die soziale Schieflage in Deutschland ist nicht gottgegeben", sagte Bsirske in Frankfurt.

"Das ist erst die zweite Demo in meinem Leben", sagte auf dem Flughafengelände der 49 Jahre alte Lothar M., kaufmännischer Angestellter bei der Lufthansa Technik. Er empfinde die Vermögensverteilung in Deutschland "zunehmend ungerecht" und befürchte, demnächst auch noch arbeiten zu müssen, wenn er 70 ist. "Das wäre dann wie in den USA." Jetzt müsse man sich eben auch mal auf die Straße stellen, um sich zu wehren. "In Stuttgart und in Frankreich machen sie es uns gerade vor."

(apd/felt)
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