Gegen Schwarz-Gelb formiert sich Widerstand Verdi-Chef Bsirske ruft zu Protesten auf

Berlin (RP). Noch vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP formiert sich massiver Protest gegen die kommende Bundesregierung. "Es ist Zeit aufzustehen", schreibt Verdi-Chef Frank Bsirske in einem Zeitungsbeitrag vom Freitag und warnt vor schweren Verteilungskämpfen. Auch Atomkraftgegner machen mobil.

Frank Bsirske: Stationen eines Berufsfunktionärs
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Bsirske ruft ausdrücklich zum Protest gegen die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung auf. "Die Verteilungskämpfe drohen sich zuzuspitzen. Es ist Zeit, aufzustehen!", schreibt Bsirske in der "tageszeitung" vom Freitag. "Wir müssen damit rechnen, dass soziale Auseinandersetzungen sich zuspitzen." Am Montag wollen CDU, CSU und FDP mit den Koalitionsverhandlungen beginnen.

Der Gewerkschaftschef kritisierte besonders die Positionen der FDP. Das Programm der Liberalen bedeute, "Steuern runter, den Sozialstaat aushöhlen, mehr Industrieförderung, weniger Arbeitnehmerrechte, weniger Umweltschutz und vor allem: kein wirksames Rezept gegen Lohndumping", warnte Bsirske.

Es ist nur der jüngste Beitrag einer Reihe von Protesten gegen die kommende Regierung, bevor sie im Amt ist: Die Sozialpolitik und die mögliche Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken drohen zu handfesten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu werden. Die Oppositionsparteien wollen für ihre Position auch auf der Straße kämpfen.

Atompolitik Das Aktions-Netzwerk Campact ruft im Internet seine 150.000 Sympathisanten auf, bereits den Auftakt der Koalitionsverhandlungen in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung am Montag in Berlin mit Protesten zu begleiten. "Wir wollen deutlich machen, dass die Menschen den Ausstieg aus der Atomkraft wollen", sagte ein Campact-Sprecher.

Die neue Regierung wird mit viel Gegenwind rechnen müssen. Gewerkschaften, Sozialverbände und Umweltverbände sind alarmiert. "Falls die neue Regierung einen Weg einschlagen sollte, der die sozialen Konflikte verschärft, wird sie die Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften herausfordern", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. Auch DGB-Chef Michael Sommer kündigte im Falle einer einseitigen Politik zu Lasten der Arbeitnehmer Gegenwehr an.

Unterstützung aus dem linken Lager Das linke Lager auf der Oppositionsbank ist bereit, Proteste von Gewerkschaften sowie Sozial- und Umweltverbänden zu unterstützen. "Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke werden wir nicht hinnehmen, dann werden die Grünen auf der Straße sein und den Protest auch außerparlamentarisch organisieren", sagte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn unserer Zeitung. Auch die Linke will ihren Protest auf die Straße tragen. "Es geht nun darum, zu verhindern, dass Schwarz-Gelb die Reste des Sozialstaates zerstört. Dafür müssen wir uns innerhalb und außerhalb des Parlaments engagieren", sagte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) unserer Zeitung.

Für eine mögliche Zusammenarbeit von SPD, Grünen und Linken in der Opposition gibt es bislang keine gemeinsame Strategie. Linke und Grüne wollen zunächst abwarten, wie sich die SPD neu aufstellt. Ein gemeinsames Vorgehen vor allem in Sozial- und Umweltfragen ist in Sicht: "Klar ist, dass Opposition eint", sagte Höhn. "Aber die Grünen sollten sich eigenständig Mitte links positionieren."

Organisation über das Internet Der Widerstand gegen die künftige Regierung aus Union und FDP soll nicht nur über den Bundestag und auf der Straße stattfinden. SPD, Linke und Grüne schielen auch auf eine linke Mehrheit im Bundesrat. Der Druck von SPD-Linken und Grünen auf ihre Landesverbände in Thüringen und im Saarland hat sich seit Sonntagabend verstärkt, jeweils ein rot-rot-grünes Bündnis zu schmieden.

Die Organisation des Protests ist im Zeitalter des Internets einfach geworden. Mussten in den 80er und 90er Jahren noch Flugblätter gedruckt und verteilt werden, vernetzen sich Gleichgesinnte heute selbstverständlich übers Internet, was auch spontane Protestkundgebungen mit vielen Teilnehmern möglich macht.

Schwerpunkte sind Sozial- und Umweltthemen Die Themen mit dem größten Potenzial für harte gesellschaftliche Auseinandersetzungen sind neben der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke die Rente mit 67, Selbstbeteiligungen in der Gesundheitsversorgung und die Arbeitsmarktpolitik. "Wenn es zu Sozialabbau kommen sollte, werden wir alle Formen zum Protest nutzen, die uns zur Verfügung stehen", sagte die Chefin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher. Sie erinnerte daran, dass es bereits jetzt ein Bündnis mit den Gewerkschaften zur Rente mit 67 gibt. "2010 muss überprüft werden, ob die Lage am Arbeitsmarkt es zulässt, dass sie tatsächlich ab 2012 schrittweise eingeführt wird. Da werden wir sehr genau hinschauen", betonte Mascher.

Die Umweltaktivisten kommen bereits zu Strategietreffen zusammen, um ihren Protest gegen mögliche Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken zu koordinieren. Ein Sprecher der Deutschen Umwelthilfe kündigte an, dass die Kernkraftgegner mit juristischen Mitteln, Straßenprotesten und der massenhaften Aufforderung an die Verbraucher, ihren Stromanbieter zu wechseln, gegen mögliche Laufzeitverlängerungen vorgehen wollen. Er sagte: "Das wird für die Stromkonzerne ein teurer Spaß."

(AFP/RP)
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