Nach erneuter Panne im Akw Krümmel Vattenfall weist Sicherheits-Kritik zurück

Düsseldorf (RPO). Nach der jüngsten Pannenserie im schleswig-holsteinischen Akw Krümmel hat der Betreiber Vattenfall Europe Vorwürfe zurückgewiesen, die Kraftwerks-Sicherheit weise Mängel auf. "Ich verstehe diese Kritik gar nicht, sicherheitstechnisch sind wir auf dem neuesten Stand - Punkt", sagte Sprecherin Barbara Meyer-Bukow unserer Redaktion.

Greenpeace verschweißt Haupttor von AKW Krümmel
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In den vergangenen Jahren habe man am Akw Krümmel "umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen" durchgeführt, unter anderem sei die Steuerungselektronik verändert und modernisiert worden.

Auf den Vorwurf der für die Atomaufsicht zuständigen Landes-Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), es gebe "einen Mangel an Qualifikation und Kompetenz im Management von Vattenfall", reagierte die Pressesprecherin der Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel mit Verwunderung. "Wir haben hier hochmotiviertes und fachlich geschultes Personal", sagte Meyer-Bukow und fügte hinzu: "Über Personen aus dem Management äußere ich mich generell nicht."

Krümmel werde nach dem Kurzschluss vom Samstag nun laut Meyer-Bukow "einige Monate" stillstehen, weil Vattenfall für 20 Millionen Euro zwei neue Maschinentransformatoren kaufen will. Medienberichte zufolge sind neue Geräte wären erst im Mai 2010 lieferbar.

"Wir haben uns dazu entschieden, die Geräte nicht zu reparieren, sondern neue zu installieren. Der Kraftwerks-Betrieb wird erst wieder aufgenommen, wenn diese neuen Transformatoren eingebaut sind", sagte Meyer-Bukow unserer Redaktion. Damit geht das Unternehmen auf eine Forderung der Atomaufsicht ein.

Vattenfall hatte am Dienstagmorgen neue Versäumnisse einräumen müssen: Der Kraftwerksleiter musste seinen Posten räumen, weil der Einbau einer hochmodernen Sicherheitsanlage vergessen wurde. Laut Meyer-Bukow habe er daraus die "Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt angeboten". Dieser sei von der Unternehmensführung akzeptiert worden.

"Letzte Chance" für Vattenfall

Gleichzeitig zeigte Vattenfall Europe angesichts der Pannenserie auch Verständnis für einige der Reaktionen aus der Politik. "Ich kann auch gut verstehen, dass der Ministerpräsident und auch andere wütend sind", sagte Unternehmenssprecher Ivo Banek im Deutschlandfunk. Auch Meyer-Bukow konnte eine gewisse Verärgerung "verstehen".

Am Dienstag hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) dem AKW-Betreiber eine "letzte Chance" eingeräumt. Anderenfalls wolle er sich persönlich um eine Abschaltung der Anlage kümmern. Banek betonte, bei der Reaktorschnellabschaltung am Samstag sei "technisch wieder eigentlich wenig passiert". Er fügte hinzu: "Die Sicherheitssysteme haben bei der Schnellabschaltung alle einwandfrei funktioniert." Aber das Unternehmen habe nicht die Möglichkeit, "in jede Unterlegscheibe die ganze Zeit über reinzugucken".

Der Sprecher räumte jedoch Pannen bei der Information der Aufsichtsbehörde und beim Einbau einer Überwachungseinrichtung in dem Meiler ein. "Wir haben in den ersten 40 Minuten nicht direkt aus dem Kraftwerk in der Aufsichtsbehörde, dem Kieler Sozialministerium, angerufen und informiert, sondern wir haben zunächst die Polizei informiert." Banek warnte jedoch vor einem Wahlkampf, der mit den Ängsten der Menschen spiele und "ein technisch eigentlich nicht sehr bedeutendes Ereignis in einem Kernkraftwerk zu einer Beinahekatastrophe hochstilisiert".

Betreiberfirma gerät in Schweden unter Druck

Mitten in der Aufregung um den norddeutschen Pannenreaktor Krümmel gerät dessen schwedische Betreiberfirma Vattenfall jetzt auch in der Heimat unter Druck: Im schwedischen Atomkraftwerk Ringhals ereigneten sich innerhalb eines Jahres zwei Störfälle der höchsten Gefahrenstufe, wie der Sprecher der schwedischen Atomaufsichtsbehörde, Mattias Skold, am Mittwoch mitteilte. Die Behörde wolle deshalb zügig darüber entscheiden, ob die Anlage unter verschärfte Aufsicht gestellt werde.

Ende vergangenen Jahres versagte nach diesen Angaben das automatische Sicherheitssystem, und im März dieses Jahres funktionierten Kontrollstäbe zur Steuerung der Reaktoraktivität nicht. Beide Einrichtungen sind laut Skold wichtig, wenn ein Reaktor schnell abgeschaltet werden muss: "Wertvolle Zeit hätte verloren gehen können." Die Reaktoren waren zum Zeitpunkt der Pannen nicht in Betrieb.

Seit Anfang 2009 wurden demnach von der Anlage Ringhals etwa 60 Zwischenfälle gemeldet, die meisten davon nicht schwerwiegend. In Ringhals produzieren vier Reaktoren ein Fünftel der schwedischen Elektrizität.

Greenpeace schweißt Tore von Krümmel zu

Am Atomkraftwerk Krümmel, das nach einem Störfall 2007 fast zwei Jahre stillgestanden hatte, erst Mitte Juni wieder angefahren worden war und nun seit einer neuerlichen Panne seit Samstag schon wieder stillsteht, schweißten Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace am Montag die Einfahrtstore zu. An jedem der fünf Tore wurden laut einer Mitteilung zusätzlich Hinweisschilder angebracht mit der Aufschrift: "AKW Krümmel geschlossen wegen Unzuverlässigkeit von Vattenfall".

Greenpeace forderte Trauernicht auf, die Betriebsgenehmigung des Betreibers Vattenfall "wegen erwiesener Unzuverlässigkeit" zu widerrufen. Die Aufsichtsbehörden agieren nach Ansicht von Greenpeace "seit Jahren zunehmend zögerlich gegenüber den Stromkonzernen, weil sie Schadensersatzforderungen fürchten".

Die Bundesregierung räumte derweil die technische Rückständigkeit von Atomkraftwerken älterer Bauart wie Krümmel oder Biblis ein. "Die neueren Siedewasserreaktoren sowie die Druckwasserreaktoren der dritten oder vierten Generation haben grundsätzlich bessere Sicherheitseigenschaften", heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, wie die "Berliner Zeitung" berichtet. Bei dem seit Samstag abgeschalteten Meiler Krümmel handelt es sich um einen Siedewasserreaktor älterer Bauart.

In einer Antwort auf eine weitere Anfrage gehe die Regierung noch weiter, schreibt das Blatt. Die älteren Meiler "entsprechen nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik", heiße es darin. Sie gehörten "nicht zu den weltweit hochmodernsten und sichersten Atomkraftwerken". Die Antworten der Regierung stammen dem Bericht zufolge bereits aus den Jahren 2007 und 2006.

RWE verteidigt Sicherheit der Atommeiler

Der Vorstandschef des Stromkonzerns RWE, Jürgen Großmann, verteidigte die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke. "Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle auf höchstem internationalem Niveau. Es ist kein einziges Kraftwerk in Betrieb, das nicht sicher ist. Auch ältere Kernkraftwerke in unserem Land sind auf Top-Niveau", sagte der Manager laut "Bild"-Zeitung. Im internationalen Vergleich seien die alten Anlagen in Deutschland noch jung, meinte Großmann. Anderswo liefen sie doppelt so lange. Zudem würden die deutschen Kernkraftwerke so streng überwacht wie sonst nirgends.

mit Material von AP/ddp

(AP)
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