Holocaust-Debatte Vatikan entsetzt über Kritik aus Deutschland

Rom (RPO). Der Vatikan reagiert verärgert über die jüngste Kritik aus der deutschen Politik. Nach Worten Papsts Benedikts sei man "geradezu entsetzt" über die Einmischung. In der Union wächst indes die Kritik an der Bundeskanzlerin. Ein Politikwissenschaftler wirft Merkel im Gespräch mit unserer Redaktion vor, sie wolle sich auf Kosten des Papstes profilieren. Hintergrund ist die Debatte über den Umgang mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson.

Rom! - Audienz beim Papst
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Der CDU-Politiker Georg Brunnhuber sagte nach einem persönlichen Gespräch mit dem Kirchenoberhaupt der "Financial Times Deutschland", der Vatikan sei über die Diskussion in Deutschland "geradezu entsetzt". Im Vatikan sei man verwundert über die Debatte in Deutschland, sagte Brunnhuber, der im Rahmen einer Generalaudienz am Mittwoch in Rom mit dem Pontifex maximus gesprochen hatte. "Hier unterstellt niemand dem Papst, dass er antisemitische Äußerungen duldet." Es herrsche der Eindruck, dass in Deutschland jetzt alle antikatholischen Ressentiments an die Oberfläche kämen.

Auch in ihrer eigenen Partei wird Kritik an der Protestantin Merkel laut. "Viele CDU-Mitglieder halten die Einlassungen der Kanzlerin nicht für richtig", erklärte Brunnhuber, der Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe in der Unions-Fraktion ist. "Öffentliche Aufforderungen an den Heiligen Vater führen garantiert ins Leere."

Oberreuter: Merkel will sich profilieren

Der Passauer Politikwissenschaftler Oberreuter, der auch Direktor der Politischen Akademie in Tutzing ist, warf der Kanzlerin im Gespräch mit unserer Redaktion vor, sie wolle sich auf Kosten des Papstes profilieren. "Indem sie den Papst attackiert, sucht sich Merkel ein relativ bequemes Profilierungsfeld, um die immer stärker zur FDP hin abwandernden Bürgerlich-Liberalen ohne enge Kirchenbindung wieder für die CDU zu gewinnen."

Bundestagspräsident Lammert verteidigte Papst Benedikt XVI. gegen die harsche Kritik aus Kirche und Politik. "Vieles, was dem Papst jetzt unterstellt wird, ist beinahe bösartig, jedenfalls nicht redlich", sagte Lammert in einem Interview mit dem Online-Portal des "Hamburger Abendblatts". Der Fall Williamson sei "keine Lappalie" und dürfe nicht verniedlicht werden. Es gebe aber inzwischen "eine Art rhetorischen Überbietungswettbewerb, der "weder gerechtfertigt noch fair, noch in der Sache hilfreich" sei.

Lammert verteidigt den Papst

Offenbar sei das Verfahren zur Aufhebung der Exkommunikation abgeschlossen gewesen, "bevor es diese berüchtigte Regensburger Äußerung von Williamson überhaupt gab", sagte Lammert. Allerdings hätte dem Vatikan auffallen müssen, dass sich der Bischof nicht zum ersten Mal in dieser Weise geäußert habe. "Dass Papst Benedikt XVI. die von ihm getroffene oder gebilligte Entscheidung persönlich zwei Tage nach Bekanntwerden dieser Williamson-Äußerung von Regensburg aufrechterhalten und öffentlich vorgetragen hat, das ist nicht nur mir völlig unverständlich", ergänzte Lammert. Zweifel an der Position der Katholischen Kirche und des Papstes halte er jedoch für "völlig unbegründet".

Trotz der Aufforderung des Vatikans, Williamson solle seine Aussagung zurückziehen, steht Papst Benedikt XVI. nach Ansicht des Leiters der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, weiter unter Druck. "Der Papst steht mit dem Rücken zur Wand", sagte von Gemmingen im Interview mit NDR Kultur. Die bisherigen Schritte des Vatikan reichten nicht aus. Aus dem Vatikan müsse noch einmal eine klare, simple Erklärung kommen, forderte er.

(DDP)
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