Atomdiskussion verschärft sich USA setzen Merkel massiv unter Druck

Toyaka (RPO). Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät auf dem G8-Gipfel massiv unter Druck. Die USA fordern im Kampf gegen den Klimawandel den Neubau von Atomkraftwerken. Und das in großem Stil. Als Industrieland stünde Deutschland in der Pflicht. Die Forderungen bringen zusätzlichen Zündstoff in die innenpolitische Atomdebatte.

Atomstreit auch in der Presse
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Foto: AP

"Ein Land, das die Möglichkeit zur verantwortungsvollen Nutzung der Kernenergie hat, steht meiner Ansicht nach auch in der Verantwortung, dies zu tun", sagte der Klimaberater von US-Präsident George W. Bush, James Connaughton, am Montag am Rande des G-8-Gipfels in Toyako vor Journalisten.

Man müsse die Atomkraft nutzen, "wenn man es mit der Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen ernst meint". Durch die Verringerung der Luftverschmutzung könne ein Ausbau der Kernkraftnutzung auch positive gesundheitliche Effekte haben.

"Fortschritt nur mit Kernenergie"

Connaughton rechnete vor, dass die bis 2050 angestrebte Halbierung des CO2-Ausstoßes in absoluten Zahlen mehr als 30 Gigatonnen entspreche. Mit 136 neuen Nuklearanlagen könne eine Tonne Ausstoß vermieden werden. Connaughton forderte, die Verringerung von zwei Tonnen über die Kernenergie zu erreichen. Das würde seiner Berechnung zufolge 272 neuen Kraftwerken weltweit entsprechen.

Über Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien alleine könnten die ehrgeizigen Klimaschutzziele nicht erreicht werden, sagte Connaughton. Die Nutzung der Kernenergie sei notwendig, "wenn man wirklichen Fortschritt erreichen will".

Atom-Debatte in Deutschland

Die Forderungen der Amerikaner erwischen Deutschland zu einem Zeitpunkt, an dem die innenpolitische Debatte über die Nutzung der Atomkraft voll entbrannt ist. Dafür sorgte am vergangenen Wochenende allein das Plädoyer von SPD-Vordenker Erhard Eppler. Der regte eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke an und stieß auf ein gewaltiges Echo, sowohl in der Politik als auch der Presse.

Der Chef des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, sprach sich für den Neubau von Atomkraftwerken aus. Forschung und Entwicklung von Atomkraftwerken dürfe kein Tabuthema sein. "Hier kann Deutschland die technische Führung wieder gewinnen, die unser Land einmal hatte."

Umweltministerium: Keine neuen Argumente

Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Fraktionschefin der Union im Bundestag, Katherina Reiche. Mit dem Festhalten am Atomausstieg gefährde die SPD die Versorgungssicherheit und "macht sich mitverantwortlich für steigende Preise", sagte die CDU-Politikerin der "Passauer Neuen Presse". "Wenn wir die Kernkraft abschalten und keine neuen Kohlekraftwerke bauen, ist unsere Stromversorgung nicht mehr sicher."

Das Bundesumweltministerium will davon nichts wissen. "Es gibt keine neuen Argumente für die Atomenergie", sagte Ministeriumssprecher Michael Schroeren. Umwelt-Staatssekretär Michael Müller wies den Vorwurf zurück, Deutschland befinde sich mit der Entscheidung zum Atomausstieg auf einem Sonderweg. "Es ist nicht richtig, dass alle anders denken als wir", sagte der SPD-Politiker im NDR. Derzeit nutzten 66 Länder regenerative Energiequellen, aber nur 33 Atomkraft, sagte der SPD-Politiker.

Eppler hatte am Wochenende vorgeschlagen, die SPD könne eine längere Laufzeit zugestehen, wenn sie im Gegenzug gemeinsam mit der Union den Verzicht auf den Bau neuer Atommeiler ins Grundgesetz schreibe. Reiche sagte: "In dieser Debatte hat das Grundgesetz nichts verloren."

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