Sicherheitskonferenz in München USA nennen Deutsche "überempfindlich"

München (RP). US-Verteidigungsminister Robert Gates hat zwar seine Warnung vor einer Spaltung der Nato beim Afghanistan-Einsatz wiederholt und darauf hingewiesen, dass es Länder gebe, die zum Kämpfen bereit seien und solchen, die dies nicht wollten. Doch die Deutschen habe er damit nicht attackieren wollen. Sie seien "vielleicht etwas überempfindlich" gewesen, sagte Gates am Sonntag bei der Sicherheitskonferenz in München.

Die 44. Münchener Sicherheitskonferenz - Ein Überblick
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Foto: AP

Franz Josef Jung ist erkennbar gelöst. Der deutsche Verteidigungsminister gibt seinem obersten Soldaten sogar einen Sekt aus. Denn wie seine Mitarbeiter ausgerechnet haben, ist General Wolfgang Schneiderhan just bei der Münchner Sicherheitskonferenz genau einen Tag länger im Amt des Generalinspekteurs der Bundeswehr als alle seine Vorgänger seit Bestehen der Bundeswehr. Jungs Amtszeit hat also viel mit Kontinuität zu tun. Doch seine gute Laune am Samstag Abend im Keller des Bayerischen Hofes in München könnte noch einen weiteren Grund haben. Nämlich das zurückliegende Gespräch im kleinen Kreis, bei dem sich Angreifer und Verteidiger der jüngsten Auseinandersetzung über mangelndes Afghanistan-Engagement Auge in Auge gegenübersitzen: Robert Gates und Franz Josef Jung.

Es ist das Aufeinandertreffen zweier Überzeugungen. "Die Deutschen müssen mehr tun am Hindukusch, auch im Süden". Das ist die Position, die die Amerikaner zehn Tage lang über alle Kanäle Richtung Berlin massivst auf den Weg brachten. "Wir Deutschen tun mehr als andere Staaten und werden die Stabilität im Norden Afghanistans nicht durch Verlegungen in den Süden gefährden." Das ist die Position, auf die sich die Bundesregierung festgelegt hat und die sie beharrlich wiederholte, so oft die Medien und die anderen Nato-Mitglieder sie in den letzten Tagen mit Gates in rüdem Ton formulierten Brief konfrontierten. Einzelne deutsche Politiker und eine ganze Reihe deutscher Ex-Militärs waren bereits eingeknickt. Jung stand, wie es die Kanzlerin vorgegeben hatte. Und er hört nun von Gates in kleinem Kreis keine Attacken mehr. Es sei einfach großartig, was die Deutschen da in Afghanistan leisteten. Punkt. Keine Kritik mehr. Kein Druck. Nur Freundlichkeit.

Deshalb weiß Jung bereits am Samstag Abend, was am Sonntag Morgen in aller Öffentlichkeit folgen wird: Das offizielle Ende des Trommelfeuers auf Deutschland. Gates wiederholt zwar seine Warnung vor einer Spaltung der Nato in diejenigen, die zum Kämpfen bereit seien und jenen, die dies nicht wollten. Gleichzeitig habe aber jedes Nato-Mitglied seine eigenen spezifischen Aufgaben. So weit die erste Runde der neuen Sprachregelung. In der nächsten wird Gates konkreter. Die Deutschen arbeiteten "sehr gut", ihr Beitrag sei "extrem wichtig". Alle seien dieser Meinung. Denn jeder solle das tun, was er am besten könne.

Es sind FDP-Chef Guido Westerwelle und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, die weitere Runden der Konkretisierung von Gates provozieren. Der Einsatz im Norden sei nicht ungefährlich. Deutschland sei die Nation mit den viertgrößten Verlusten. Die Nato solle nicht nach Sündenböcken für ein eventuelles Scheitern suchen, meinen die Oppositionsführer. Und Gates frisst noch mehr Kreide. Sein Brief an Jung sei nur einer von 25 Briefen an alle Partner gewesen. "Ich habe überhaupt nicht auf Deutschland zeigen wollen", behauptet er, obwohl der Brief von massiven konkreten Attacken aus Washington begleitet war. Gates‘ Erklärung für die Aufregung der letzten Tage: Deutschland sei "vielleicht etwas überempfindlich gewesen".

Möglicherweise hat Gates‘ Zufriedenheit auch mit den Medienberichten zu tun, die die Debatten auf den Fluren der Sicherheitskonferenz beherrschen. Danach wird in Berlin darüber nachgedacht, die Obergrenze des Afghanistan-Mandats von 3500 auf 4500 aufzustocken, das Einsatzgebiet vom Norden auch auf ein kleines Gebiet im Westen des Landes auszuweiten und dem Mandat eine längere Laufzeit zu geben, um über den Bundestagswahlkampf zu kommen und dann im Oktober 2009 die Mandatsverlängerung von einem schon abgewählten Bundestag abfragen zu müssen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm dementiert: Im Kanzleramt gebe es keine solchen Pläne. Außenminister Frank-Walter Steinmeier schüttelt ebenfalls den Kopf. Und auch Jung selbst weist die Spekulationen zurück. "Nichts dran", versuchen seine Mitarbeiter überall anzubringen.

Doch unter den Spezialisten unterhalb der Führungsebenen sind die Ideen längst bekannt. Und sie bestätigen auch, dass die Regierungskoalition mit verschiedenen Optionen arbeitet. Eine sei genau die in den Medien skizzierte. Freilich eine innerhalb der Häuser und im Bundestag noch stark umstrittene. Und eines ist ohnehin klar: Wenn Deutschland im Sommer seine Schnelle Eingreiftruppe nach Afghanistan verlegt, ist die Mandatsobergrenze restlos ausgeschöpft, gibt es keine Reserven mehr. Schon von daher sind Ministerien und Fraktionen im Gespräch darüber, die Zahl der einsetzbaren Soldaten anzuheben.

Aber Soldaten sind nicht alles, wenn es um den Erfolg am Hindukusch geht. Und Gates schwört die Sicherheitskonferenz auf mehr Anstrengungen ein. Wenn die Nato scheitere, komme nicht nur die Region ins Chaos, es werde auch wieder die Gewalt des islamistischen Terrorismus nach Europa getragen und die "Menschen in München, London und Paris" treffen. Gates: "Wir müssen diese Bewegung in der Wiege zerstören." Und dann kommen die Töne, die die Nato-Strategie zum Erfolg führen sollen: Mehr für die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten, mehr für den zivilen Aufbau und einen Koordinator schaffen, der eine Ordnung in die Bemühungen der Allianz bringt. Selbstkritisch spricht Gates von einem "Stolpern" seines Landes im Irak, von Lektionen, die die USA lernen müssten. Dazu gehöre, dass Krieg im 21. Jahrhundert bedeute, nicht mehr zwischen militärischen und zivilen Maßnahmen zu unterscheiden. Terrorismusbekämpfung bestehe auch aus zivilem Aufbau.

Jung nickt nachdrücklich. Genau so sagt es die Bundesregierung seit Jahren. Zufrieden lehnt sich Jung zurück. Der Druck ist weg. Vorerst.

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