Spionage-Affäre US-Regierung wütend über laute Kritik aus Deutschland

Berlin · Die US-Regierung hat mit deutlicher Verstimmung auf die harsche Kritik aus Berlin wegen mutmaßlicher Spionagefälle reagiert. Das Thema solle nicht auf dem offenen Markt, sondern intern zur Sprache gebracht werden, forderte der Sprecher des Weißen Hauses.

Diese Geheimdienste sind in Deutschland aktiv
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Foto: dpa, nar cul

"Alle Differenzen, die wir haben, sind am effektivsten über bestehende interne Kanäle zu lösen, nicht über die Medien." Zugleich bestätigte der Sprecher, dass Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel seit über einer Woche nicht mehr miteinander gesprochen hätten.

Zugeich gab es scharfe Worte von US-Abgeordneten. Der Rauswurf des CIA-Stationsleiters in Berlin sei ein "Wutanfall" der Bundesregierung, meinte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers.

"Das Leben von Deutschen gerettet"

"Das ist Etwas, was wir von den Russen, den Iranern und Nordkoreanern erwarten, nicht etwas, was wir von den Deutschen erwarten", sagte der Republikaner dem TV-Sender CNN am Freitag. Die US-Geheimdienste hätten den deutschen Diensten Informationen geliefert, die das Leben von Deutschen gerettet hätten.

Der Rauswurf des CIA-Mannes "scheint schlichtweg nicht wie die Reaktion eines Erwachsenen". Zugleich warf Rogers den Deutschen praktisch vor, iranische und russische Top-Spione im Land zu tolerieren. "Ich sehe keine Interesse, diese Chefs rauszuwerfen."

Zugleich gab es erstmals in US-Medien scharfe Kritik an Berlin. In einem Kommentar in der Zeitung "Wall Street Journal" war von "gekünstelter Empörung" die Rede. Deutschland wisse, dass auch befreundete Staaten sich gegenseitig ausspionieren.

Deutschland habe etwa zu Russland und dem Iran engere Beziehungen als die meisten anderen westlichen Länder. "Die USA müssen diese Beziehungen verstehen, und dazu braucht es Geheimdienste. Die USA würden unverantwortlich handeln, wenn sie deutsche Regierungsbeamte nicht aushorchen würden", schreibt die einflussreiche Zeitung.

"Freundschaft neu beleben"

Allerdings gibt es zugleich erste Aussichten auf Gespräche. US-Außenminister John Kerry werde am Rande der Wiener Atomgespräche seinen Kollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD) treffen. Dabei würden auch "bilaterale Themen" erörtert, hieß es in Washington. Das Gespräch sei für Sonntag geplant, es wäre das erste auf hoher Ebene seit Zuspitzung der Affäre.

Steinmeier plädierte für einen Neuanfang in den Beziehungen zu den USA. "Wir wollen unsere Partnerschaft, unsere Freundschaft auf ehrlicher Grundlage neu beleben."

Die Bundesregierung hatte am Donnerstag als Reaktion auf mutmaßliche Ausspähaktionen den obersten Geheimdienstler der Amerikaner in Berlin aufgefordert, Deutschland zu verlassen.

Bundesjustizminister Heiko Maas sieht wegen der Spionageaffäre das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA gefährdet. "Wir brauchen für ein solches Abkommen ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Zustimmung in Deutschland. Und die läuft uns im Moment wegen der Spionageaffäre davon", sagte der SPD-Politiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Das müsse die Regierung in Washington verstehen.

"Viele sagen: Wenn sich Washington auch beim Freihandelsabkommen so wie in Sachen NSA verhält, kann nicht viel dabei herauskommen", sagte Maas. Diese Sorgen müssten den Menschen genommen werden, "indem wir die Verhandlungen möglichst transparent führen und zu guten Verhandlungsergebnissen kommen".

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte der "Passauer Neuen Presse", die Verhandlungen über das Abkommen (TTIP) würden sicherlich nicht einfacher werden, "wenn die USA weiter bei uns schnüffeln und spitzeln." Führende Ökonomen warnten hingegen davor, das Abkommen nun infrage zu stellen.

"Der Wirtschaft Chancen nehmen"

"Dies würde langfristig der deutschen Wirtschaft eine große Chance nehmen, neue Märkte zu erschließen, und auch dem deutschen Konsumenten schaden", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, "Handelsblatt Online".

Nach Einschätzung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann ist das beschädigte Vertrauensverhältnis zu dem Verbündeten USA die schlimmste Folge der Spionageaffäre. "Die Informationen, die sie von den angeworbenen Mitarbeitern bekommen konnten, hätten sie sicherlich auch auf politische Anfrage ganz legal bekommen können", sagte er der "Sächsischen Zeitung" (Samstag). Oppermann schließt nicht aus, dass sich noch weitere US-Spione in Deutschland aufhalten.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), fordert nachrichtendienstliche Konsequenzen. "Die Zusammenarbeit zwischen US-Diensten und deutschen Behörden muss auf das notwendige Maß reduziert werden. Damit meine ich den Austausch ausschließlich sicherheitsrelevanter Informationen", sagte er der "Märkischen Allgemeinen Zeitung".

Die Bundesanwaltschaft ermittelt derzeit gegen einen mutmaßlichen Spion im Verteidigungsressort, der US-Geheimdienstler mit Informationen versorgt haben soll. Bereits seit der vergangenen Woche sitzt ein BND-Mitarbeiter in Untersuchungshaft, der ebenfalls geheime Informationen an amerikanische Dienste geliefert haben soll.

(dpa)
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