Vermietungen an Feriengäste Die Freiheit des Eigentums

Berlin · Wohnungen dürfen kurzzeitig an Touristen vermietet werden, auch wenn die Nachbarn mehrheitlich dagegen sind. Ein neues Urteil setzt damit ein wichtiges Signal für Eigentümer – ohne die Interessen der Gegner zu ignorieren. Eine Analyse.

 Ein Schild wirbt für eine freie Ferienwohnung in Mecklenburg-Vorpommern.

Ein Schild wirbt für eine freie Ferienwohnung in Mecklenburg-Vorpommern.

Foto: dpa/Jens Büttner

Wer eine Wohnung besitzt, darf grundsätzlich selbst entscheiden, wem er diese überlässt. Diese Freiheit ist elementarer Bestandteil von Eigentum. Der Bundesgerichtshof hat am Freitag in einem Urteil (Aktenzeichen: V ZR 112/18) eben diese Freiheit – aus guten Gründen – untermauert. In der teils aufgeheizten Debatte um die Vermietung von Wohnungen an Touristen, etwa über Internetplattformen wie Airbnb, 9flats oder Wimdu, ist die Entscheidung der Karlsruher Richter ein wichtiges Signal für alle Eigentümer.

Konkret ging es um die Frage, ob eine Frau im Raum Papenburg im Emsland ihre Wohnung tage- oder wochenweise vermieten darf, wenn alle anderen Eigentümer des Mehrfamilienhauses dagegen sind. Diese empfinden es als Störung, dass immer wieder fremde Menschen für einen kurzen Zeitraum im Haus sind. Bei einer Eigentümerversammlung im März 2017 hatten diese sieben Parteien schließlich eine sogenannte Öffnungsklausel genutzt, um die Teilungserklärung der Eigentümergemeinschaft zu ändern – die dafür nötige Mehrheit von 75 Prozent der Eigentümer war weit überschritten. Eine Teilungserklärung regelt, wie das Gebäude aufgeteilt ist und welche Rechte und Pflichten die einzelnen Wohnungseigentümer haben. In diesem Fall beschloss die Mehrheit, dass Vermietungen an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste oder andere kurze Vermietungen künftig nicht mehr zulässig seien. Die betroffene Eigentümerin klagte als achte Partei im Haus dagegen und bekam nun vom Bundesgerichtshof recht.

Im Kern ging es also um die Abwägung, ob Nachbarn, die sich durch die häufig wechselnde Anwesenheit von Fremden im Haus gestört fühlen, einer anderen Person die bis dahin freie Nutzung ihres Eigentum untersagen dürfen. Klare Antwort der Vorsitzenden Richterin Christina Stresemann: Nein. Denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass der Wert der Wohnung für die Eigentümerin erheblich gemindert wäre, wenn sie auf das Geschäft mit den Vermietungen verzichten müsste. In der Urteilsbegründung des BGH heißt es, die Nutzung sei auf „substanzielle Weise“ betroffen, wenn die Zweckbestimmung des Eigentums geändert werde. Anderes Beispiel: Eine Eigentümergemeinschaft könnte auch nicht einfach per Mehrheitsbeschluss verfügen, dass eine Gaststätte im Haus künftig nur noch als Bürofläche genutzt werden darf, weil eine Mehrheit sich durch den Betrieb gestört fühlt. Dazu, so die Richterin, bedürfe es der Zustimmung aller Eigentümer. Weiter heißt es in der Begründung: „Die zulässige Wohnnutzung umfasst, wie der Bundesgerichtshof schon im Jahr 2010 entschieden hat, auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste; diese Vermietungsformen waren hier bislang sogar ausdrücklich erlaubt.“

Das ist fair, bedenkt man, dass es bei einer anders lautenden Entscheidung auch zu erheblichen Definitionsproblemen gekommen wäre: Ab wann sind Vermietungen nicht mehr kurzzeitig und welcher Personenkreis kommt als Mieter in Frage (können etwa Touristen von Saisonarbeitern abgegrenzt werden)?

Auf diese Weise wurden die Rechte von Wohnungsbesitzern verteidigt. So sieht es auch der Eigentümerverband Haus und Grund. „Das Urteil bedeutet eine Stärkung der Eigentumsposition: Der Wohnungseigentümer muss selbst entscheiden können, wie er sein Sondereigentum nutzt“, sagte Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund Deutschland unserer Redaktion. Die Zweckbestimmung dürfe nicht ohne seine Zustimmung eingeschränkt werden, so Warnecke. „Der Bundesgerichtshof hat mit seinem heutigen Urteil Kurzzeitvermietung als Kernbereich des Wohnungseigentums qualifiziert.“ De facto habe das Gericht damit die Minderheit – hier die Klägerin, die an Feriengäste vermieten möchte – gegen die Mehrheit in der Eigentümergemeinschaft geschützt. „Das Gericht hat richtigerweise zugleich darauf hingewiesen, dass den übrigen Wohnungseigentümern andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen“, sagte Warnecke. Und tatsächlich ist das zentral für den Ausgleich zwischen den Interessen. Denn die Mehrheit in dem Haus hatte nicht etwa Ruhestörungen als Grund für ihre Ablehnung angegeben. In dem Fall hätte es andere Möglichkeiten gegeben, gegen die Vermietungen vorzugehen. So müssen es Nachbarn nicht hinnehmen, wenn ständig wechselnde Feriengäste Lärm machen, die Wohnung mit zu vielen Personen bewohnen oder gegen die Hausordnung verstoßen. Solche Störungen könnten einen Unterlassungsanspruch begründen, sagte Warnecke.

Ein Problem gibt es aber mit dem vom BGH festgelegten Gebot der Einstimmigkeit, wenn es um die Änderung der Teilungserklärung geht. Schließlich dürfte es in Häusern mit vielen Parteien, etwa in einem Wohnblock, kaum möglich sein, alle Eigentümer zu einem Votum zu bewegen, wenn der Grund für die geplante Änderung die Nutzung einzelner Wohnungen ist. Überspitzt gesagt kann es einem Bewohner der 15. Etage herzlich egal sein, was in der vierten Etage vor sich geht. Dieses Problem hat auch der BGH nicht aufgelöst – es könnte zu Folgeprozessen kommen.

Und dennoch ist das Urteil ein gutes Signal für all jene, die ihre Wohnung zu dem Zweck erworben haben, sie an Feriengäste zu vermieten. Davon unabhängig ist aber, dass es in einzelnen Städten mit angespanntem Immobilienmarkt durchaus sinnvoll sein kann, Ferienwohnungen grundsätzlich genehmigungspflichtig zu machen. Zugleich müssen dann aber auch genug Kontrolleure zur Verfügung stehen, um illegal angebotene Ferienwohnungen im Netz aufzuspüren. In Berlin, wo es eine solche Regelung gibt, sind die Bezirke damit heillos überfordert.

(jd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort