Unabhängig von Abstimmung im EU-Parlament Von der Leyen will in jedem Fall als Verteidigungsministerin zurücktreten

Berlin/Brüssel · Bevor sich Ursula von der Leyen am Dienstag dem EU-Parlament als neue EU-Kommissionspräsidentin zur Wahl stellt, hat sie am Montag angekündigt, ihr Amt als Bundesverteidigungsministerin in jedem Fall aufgeben zu wollen.

 Im Bundeswehroutfit wird man Ursula von der Leyen nicht mehr sehen (Archivbild).

Im Bundeswehroutfit wird man Ursula von der Leyen nicht mehr sehen (Archivbild).

Foto: dpa/Thomas Peter

Das schrieb die Ministerin am Montag auf Twitter. Am Mittwoch werde sie ihr Amt zur Verfügung stellen, erklärte die CDU-Politikerin am Montag zudem in einem Schreiben an die Angehörigen der Bundeswehr, das der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. „Die Bundeskanzlerin ist über diesen Schritt informiert und wird die notwendigen Schritte für einen verantwortungsvollen Übergang im Sinne der Bundeswehr und der Sicherheit Deutschlands einleiten“, heißt es darin.

Merkel wertete den Schritt als starkes Signal von der Leyens, tatsächlich EU-Kommissionspräsidentin werden zu wollen. „Sie für sich hat entschieden, dass sie das mit voller Verve auch tun will. Das freut mich. So kenne ich sie auch. Und dann werden wir alles Weitere sehen“, sagte die Kanzlerin bei einem Termin im sächsischen Görlitz.

Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann meldete bereits Ansprüche seines Landesverbandes für das Kabinett an. „Die CDU Niedersachsen als drittgrößter Landesverband muss in der Bundesregierung angemessen vertreten sein. Wir haben gute Frauen und Männer in Berlin, die aus dem Stand heraus ein Ministerium führen können. Die Entscheidung liegt bei der Kanzlerin“, sagte Althusmann der „Rheinischen Post“ (Dienstag). Von der Leyen kommt aus Niedersachsen.

Althusmann rechnet mit einer schnellen Entscheidung: „Die Frage der Nachfolge wird in den darauffolgenden Tagen geklärt.“ Er zeigte sich überzeugt, dass von der Leyen an diesem Dienstag in Brüssel gewählt wird. „Sie ist strategisch klug, erfahren und bringt alles mit, was man in politisch schwierigen Zeiten braucht.“

Von der Leyen zeigte sich in ihrem Tagesbefehl dankbar, „dass ich mehr als fünfeinhalb Jahre Verantwortung für die Bundeswehr tragen durfte“. Die CDU-Politikerin zog eine positive Bilanz: „Nach mehr als zwei Jahrzehnten des Schrumpfens und Reduzierens geht es für die Bundeswehr wieder aufwärts.“

Wer nun die Leitung des Verteidigungsministeriums übernimmt, war zunächst unklar. In Berlin sind unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn, die Verteidigungsexperten Johann Wadephul und Henning Otte (alle CDU) sowie Ex-CDU-Generalsekretär und Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber im Gespräch.

Offen scheint auch, ob nur das Verteidigungsministerium neu besetzt wird oder ob ein größere Karussell in Gang kommt. Allerdings hatte CSU-Chef Markus Söder eine Kabinettsumbildung mit Beteiligung der CSU-geführten Ministerien abgelehnt.

Mit von der Leyen könnte erstmals seit mehr als 60 Jahren wieder jemand aus Deutschland das mächtige Brüsseler Amt erobern, das in etwa einem Regierungschef entspricht. Allerdings ist ungewiss, ob von der Leyen die nötige Mehrheit im Europaparlament bekommt.

Zu ihren schärfsten Kritikern gehören die deutschen Sozialdemokraten. Die SPD ist aufgebracht, weil von der Leyens Nominierung dem Wunsch des Parlaments widerspricht, nur einen der Spitzenkandidaten für die Europawahl zum Kommissionschef zu machen. Dagegen warnen Politiker aus der Union vor einer Handlungsunfähigkeit der EU für den Fall eines Scheiterns der Kandidatin.

Im Falle ihrer Niederlage auch durch Nein-Stimmen deutscher SPD-Abgeordneter sieht Althusmann die große Koalition in Berlin in Gefahr. Diese käme in „schwieriges Fahrwasser“, sagte er. „Ohnehin ist die Lage dieser Koalition fragil. Welches Kandidaten-Pärchen für den SPD-Vorsitz soll denn beim SPD-Parteitag im Dezember mit dem Slogan 'Zurück in die Groko' zur neuen Doppelspitze gewählt werden, wenn sich die Sozialdemokraten schon derart unsolidarisch verhalten wie in der jetzigen historischen Situation, dass eine deutsche Politikerin EU-Kommissionspräsidentin werden könnte?“

Von der Leyen warb zu Wochenbeginn mit neuen Angeboten um Zustimmung - vor allem von Liberalen und Sozialdemokraten. Die Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen will sie verschärfen. Zudem stellte sie sich hinter eine europäische Arbeitslosenversicherung.

Ihre Wahl zur Kommissionschefin gilt nicht als sicher. Sollte das EU-Parlament sie nicht mittragen, würde die EU in eine Krise schlittern. Von der Leyen benötigt die absolute Mehrheit von 376 der 751 Stimmen. Sowohl die europäischen Sozialisten (S&D) mit 154 Abgeordneten als auch die Liberalen (Renew) mit 108 Stimmen halten sich ihr Votum bislang offen. Wird von der Leyen gewählt, wäre sie die erste Frau an der Spitze der Brüsseler Behörde und die erste Deutsche nach mehr als 50 Jahren.

(felt/dpa/REU)
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