Drohnen in der Bundeswehr Ursula von der Leyens Wegducken hat bald ein Ende

Berlin · Seit ihrem Amtsantritt macht die Verteidigungsministerin einen großen Bogen um Drohnen, denn ihr Vorgänger wäre über das Thema fast gestürzt. Ihr Wegducken hat nächste Woche ein Ende, dann muss sich Ursula von der Leyen im Bundestag erklären.

Die Drohnen der Militärs
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Zu den besonderen Talenten von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gehört ihre Medientauglichkeit. Sie hat ein Gespür für Themen, Sätze und Bilder, die wirken. Deshalb ist es kein Zufall, dass sie einen großen Bogen um ein ganz bestimmtes Fluggerät macht, wo immer eine Kamera einen optischen Zusammenhang mit ihr herstellen könnte.

So war es bei ihrem Antrittsbesuch in Afghanistan, wo sie sich alle eingesetzten Waffensysteme erläutern ließ — bis auf die Drohnen. Und so war es wieder bei der Internationalen Luftfahrtausstellung, wo sie sich für viele Neuerungen interessierte — aber nicht für die Drohnen. Ein öffentliches Angebot von Rüstungsfirmen zu einem neuen europäischen Drohnenprojekt ließ sie ins Leere laufen — von der Leyen hat keinen aktuellen Entscheidungsbedarf.

Die größtmögliche Distanz zwischen von der Leyen und ferngesteuerten Luftfahrzeugen wird nächste Woche zu Ende gehen. Die Koalition wird nach Informationen unserer Redaktion im Bundestag eine Aktuelle Stunde beantragen. Dann muss die Ministerin ran - um zu erklären, warum sie sich seit so vielen Monaten öffentlich wegduckt, sobald das Thema im Anflug ist. Warum sie erst eine große gesellschaftliche Debatte über den Drohnen-Einsatz abwarten will. Und warum ihr Ministerium gleichwohl bereits zu erkennen gegeben hat, dass für die nächsten Drohnen der Bundeswehr "konzeptionell eine Bewaffnungsfähigkeit gefordert" sein werde.

Image der warmherzigen Mutter der Kompanie

So steht es in der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Linken. Und die reagierte bereits empört: "Die Bevölkerung wird bewusst in die Irre geführt, wenn die Bewaffnungsfähigkeit einer militärischen Langstreckendrohne von vornherein festgeschrieben wird", hält Linken-Sicherheitspolitiker Andrej Hunko fest. Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger hält der Ministerin vor, sie wolle "Kampfdrohnen durch die Hintertür" anschaffen. Damit werde die für Montag im Verteidigungsausschuss angesetzte Expertenanhörung mit Völkerrechtlern, Ethikern, Friedensforschern und Militärs zur "bloßen Showveranstaltung und Farce".

Der politische Begriff "Kampfdrohnen" macht klar, warum von der Leyen sich über so viele Monate von diesem Thema ferngehalten hat. Das Image der warmherzigen Mutter der Kompanie droht von dem der kalten Kriegerin überlagert zu werden. Denn nur wenige Themen sind so emotional belastet wie der Einsatz unbemannter Fluggeräte. Dafür haben die USA gesorgt. Sie setzen Drohnen in großem Stil ein, um potenzielle Terroristen im Jemen, in Somalia, Pakistan oder Afghanistan per Knopfdruck aus der Ferne zu töten — "Kollateralschäden" eingeschlossen.

Dieser Einsatz ist bestenfalls fragwürdig. Besser lässt er sich als Verstoß gegen elementare Menschenrechte bezeichnen. Der Soldat wird zum Ankläger, Richter und Scharfrichter in einer Person, ohne dass der Verdächtige das Recht hat, sich zu der Sache zu äußern. Faktisch wird die Todesstrafe exekutiert auf den puren Verdacht hin, ein Passant oder Reisender könne in Anschläge oder Terrorplanungen verwickelt sein oder sich zufällig in der Nähe eines Beschuldigten befinden.

Das lädt die breite gesellschaftliche Drohnen-Debatte, die von der Leyen nun anstoßen will, in einer Weise auf, die mit dem Bedarf der Bundeswehr wenig zu tun hat. Drohnen liefern der Truppe in Afghanistan Informationen über geplante Patrouillenrouten und klären, ob hinter einem Haus Kinder spielen oder Taliban in Stellung gehen. "Wenn man in Echtzeit den Feind beim Bau einer Sprengfalle aufklären kann, ist das ein strategischer Vorteil, der über Leben und Tod entscheiden kann", sagt Unions-Verteidigungspolitiker Henning Otte. Die Zeit sei gekommen, sich in einer gesellschaftlichen Debatte über Drohnen insbesondere mit optionalen Kampffähigkeiten auseinanderzusetzen, schließlich gehe es um nichts weniger als um den bestmöglichen Schutz deutscher Soldaten.

Beschaffungsentscheidung im Herbst

Die Bundeswehr will die Drohnen nur in solchen Fällen zu mehr als bloßer Aufklärung verwenden, in denen ein erkannter Feind auch durch Flugzeug- oder Artillerie-Einsatz bekämpft würde. Das aber glauben Kampfdrohnen-Gegner nicht. Für Brugger lassen bewaffnete Drohnen die "Hemmschwelle für den Waffeneinsatz sinken und können zu einer Entgrenzung des Einsatzes militärischer Gewalt führen".

Von der Leyens Vorgänger, der jetzige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), hat sich schon nach Kräften bemüht, den Drohneneinsatz als "ethisch neutral" darzustellen und die an Drohnen angebrachten Waffen in eine Linie mit an Flugzeugen angebrachten und von Soldatenhand direkt bedienten Waffen zu stellen. Das hat ihm Prügel von allen Seiten eingebracht. Nachdem ihm das Aufklärungsdrohnen-Projekt "Euro Hawk" ins Trudeln geriet, bekam er in der Öffentlichkeit bei diesem Thema keinen Boden mehr unter die Füße.

Auch von der Leyen dürfte nächste Woche versuchen, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen (von ihr strikt abgelehnten) vollautomatisch tötenden Drohnen und solchen, die zunächst zur Aufklärung gedacht sind und irgendwann später nachgerüstet werden können. Die Frage ist aber, ob es klug war, über so viele Monate abzutauchen — das lenkt erst recht die Aufmerksamkeit auf eine Drohnen-Ministerin, wenn sie das heiße Eisen endlich anpackt. Die Terminierung auf die letzte Sitzungswoche vor der Urlaubspause liefert zudem die Basis für ein großes Sommertheater.

Konkret wird es ohnehin erst im Herbst, wenn es um die Beschaffungsentscheidung geht. Bis dahin wird von der Leyen vermutlich austesten können, ob sie in der Öffentlichkeit auch dann punkten kann, wenn sie unter Dauerfeuer steht und vor allem emotionale Bedenken nur schwer zu kontern vermag.

(may-)
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