Ursula von der Leyen Im Kampfanzug durch die Plagiatskrise

Berlin · In der Plagiatsaffäre von der Leyen könnte es in den nächsten Tagen erste Klarheit geben: Hat die Ministerin für ihren Doktortitel geschlampt oder geschummelt? Wie es dann weitergeht, hängt womöglich auch von ihrem Umgang mit der Krise ab. Warnende Beispiele gibt es.

 Hat Ursula von der Leyen bei ihrer Doktorarbeit plagiiert? Der Vorwurf steht im Raum, in den nächsten Tagen könnte es Klarheit geben.

Hat Ursula von der Leyen bei ihrer Doktorarbeit plagiiert? Der Vorwurf steht im Raum, in den nächsten Tagen könnte es Klarheit geben.

Foto: dpa, nie wst fpt

Nun bleibt auch dieser Ministerin nur noch das Warten. Und Hoffen, dass die offiziellen Plagiatsdetektive der Hochschule in Hannover dieser Tage gnädig mit ihrer Medizin-Doktorarbeit umgehen. Ob Ursula von der Leyen den Titel behalten darf: möglich, denn auch eine Rüge oder ein Nacharbeiten wären als Strafe denkbar. Was ein Titelentzug für ihre Karriere in Kabinett und Partei bedeuten würde: reine Spekulation. Die nächste Frage: Ob die Kanzlerin während der Turbulenzen zu ihr steht?

Vielleicht denkt die CDU-Hoffnungsträgerin von der Leyen daher jetzt intensiv über ihr Krisenmanagement nach - das bisherige und das künftige. Denn dabei ging in früheren Plagiatsaffären so einiges schief, etwa in den Fällen Guttenberg und Schavan.

Der Fall von der Leyen

Das Ende ist offen, die Strategie der Betroffenen auch. Der bekannte Karikaturist Klaus Stuttmann präsentiert die Verteidigungsministerin im Angriffsmodus: "Wie war noch mal gleich die Adresse von diesem Plagiatsjäger?", sagt in seiner Zeichnung eine zornesrote von der Leyen am Steuer eines voll aufgerüsteten Panzers. Dass die der Schlamperei oder gar des Schummelns verdächtigte Politikerin die Mitarbeiter der Plattform VroniPlag despektierlich als "Aktivisten im Internet" hinstellte, werten manche Beobachter als ihren ersten Fehler.

Der Berliner Medienwissenschaftler Professor Joachim Trebbe findet den Ausdruck eher unproblematisch. ""Aktivisten" ist ja nicht gerade ein Schimpfwort", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Für die Öffentlichkeit könnten solche Bemerkungen jedoch auf einen nicht ganz untypischen "Verfolgungswahn" von Prominenten hindeuten. "Sie glauben, dass sie nicht wie alle anderen Promovenden geprüft werden, sondern dass sie strengeren Maßstäben ausgesetzt sind, weil sie öffentliche oder politische Personen sind. Und dass gewisse Kreise ein Interesse haben könnten, sie durch diese Affäre aus dem Amt zu drängen."

Insgesamt habe von der Leyen die erste Woche ihrer Plagiatsaffäre aber ohne größere Schäden überstanden, sagt Trebbe. "Sie hat von vornherein (...) ihre Arbeit nochmal zur Prüfung vorgelegt. Und sie hat das relativ offen kommuniziert." Die Ministerin habe auch nicht behauptet, an den Vorwürfen zu 27 von 62 Textseiten sei gar nichts dran. "Damit unterscheidet sie sich von ihren beiden Vorgängern." Angesichts der Negativbeispiele im konservativen Lager sei das "wenigstens mal eine andere Strategie".

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Trebbe geht davon aus, dass von der Leyen zu ihrer Entlastung auf den empirischen Teil ihrer Doktorarbeit verweisen wird: "Den Doktor hat sie für diese Forschungsergebnisse bekommen", die nehme ihr keiner weg. Dennoch könne ein Verlust von Doktortitel und Glaubwürdigkeit ein großes Problem für von der Leyen werden. Denn in ihrem Ministeramt sei sie ja auch Chefin der Bundeswehr-Unis.

An einem Prestige-Schaden würde dann wohl auch die Tatsache nichts ändern, dass Medizin-Doktorarbeiten in der Wissenschaft ohnehin nur als leichtgewichtig gelten. Und auch nicht die lange Zeit seit von der Leyens Dissertation: "Fehler, die man 1990 gemacht hat, werden heute nicht größer oder kleiner", sagt etwa Gerhard Dannemann, Berliner Humboldt-Professor für Englisches Recht und nebenbei VroniPlag-Mitarbeiter. Sein Fazit: "Der Doktortitel hätte für diese Arbeit nicht verliehen werden dürfen."

Der Fall Guttenberg

Das Musterbeispiel für völlig missglücktes Krisenmanagement. In der ersten Plagiatsaffäre vor fast fünf Jahren machte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) so viele Fehler, dass sein Straucheln Ursula von der Leyen heute gute Hinweise geben dürfte, wie man es nicht machen sollte. Der Unions-Jungstar musste Anfang 2011 sein Amt niederlegen, nachdem ihm die Uni Bayreuth den erst wenige Jahre zuvor quasi nebenbei erworbenen Doktortitel aberkannt hatte.

Zuvor hatte er Vorwürfe eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens als "abstrus" zurückgewiesen oder nur scheibchenweise eingeräumt. Dass Guttenberg durch die Plagiatsnachweise und vor allem durch sein Leugnen so beschädigt war, hatte auch mit Ansehensverlust im bürgerlichen Lager zu tun. Denn dort, sagt Medienwissenschaftler Trebbe, sei es nunmal so, "dass Leute mit Doktortitel leichter Karriere machen als Leute ohne Doktortitel. Das ist nicht so ganz zu trennen vom Amt." Die CSU will dem inzwischen 43-Jährigen nun dennoch eine neue politische Chance geben.

Reit-EM: Ursula von der Leyen macht im Sattel eine gute Figur
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Von der Leyen macht im Sattel eine gute Figur

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Der Fall Schavan

Auch hier waren Affäre und Amt eng verknüpft. Denn Annette Schavan war seinerzeit Bundesforschungsministerin, sie stand nach der plagiatsbedingten Aberkennung des Doktortitels der Uni Düsseldorf von 1980 ohne Studienabschluss da. Bei der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden und Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel zog sich der Niedergang bis zum Rücktritt lang hin.

Schavan wies Plagiats- und Täuschungsabsichten stets zurück und räumte erst nach vielen Wochen Flüchtigkeitsfehler in ihrer Pädagogik-Arbeit "Person und Gewissen" ein. Am 9. Februar 2013 war Schluss für die Ministerin. Heute ist sie Botschafterin im Vatikan - und trotz Klage weiterhin ohne Titel. Seit dem für viele fast schon tragischen Fall Schavan begann eine Debatte über Verjährungsfristen für wissenschaftliche Plagiatsvergehen, die im Zusammenhang mit von der Leyen gerade wieder neu entbrennt.

Der Fall Althusmann

Ein Beispiel, dass es auch gutgehen kann. Der frühere niedersächsische Bildungsminister und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Bernd Althusmann (CDU), räumte ein, seine 2007 eingereichte Dissertation sei kein Glanzstück - sie hatte auch nur die schwache Note "genügend" erhalten. "Es gab keinen Täuschungsversuch von meiner Seite", betonte er.

Von den böse endenden Plagiatsfällen Guttenbergs und der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin setzte sich Althusmann verbal klar ab. Sein offener, auch reumütiger Umgang half: Ende 2011 wurde die Untersuchung der Uni Potsdam zu der Doktorarbeit eingestellt. Er blieb auch Minister, und seine Amtszeit endete regulär - durch Abwahl der CDU/FDP-Regierung im Jahr 2013.

(dpa)
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