Kommentar zur EU-Kommission Aufbruch Europa, Abbruch Berlin

Berlin · Was erst nach einer Schlappe für Bundeskanzlerin Angela Merkel aussah, verwandelt sich in einen Triumph: Ihre Verhandlungen über die EU-Kommission. Verlierer ist die SPD.

 Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Foto: AP/Jean-Francois Badias

Die Wahl von Ursula von der Leyen an die EU-Kommissionsspitze ist historisch. Erstmals wird die Brüsseler Machtzentrale von einer Frau geführt und zum zweiten Mal nach 1967 von einer Persönlichkeit aus Deutschland. Der 16. Juli 2019 wird sich einprägen in das politische Gedächtnis der Bundesrepublik - allerdings auch das kleine Karo der einst großen SPD.

Während die Kanzlerin bereit war, statt des eigenen Spitzenkandidaten Manfred Weber den unterlegenen Sozialdemokraten Timmermans als Kommissionschef zu akzeptieren, wollte umgekehrt ihr SPD-Koalitionspartner die CDU-Frau von der Leyen verhindern. Und isolierte sich damit auch noch von eigenen europäischen Parteikollegen. Die SPD ist inzwischen so kopflos, dass sie den Überblick verliert, was ihr schadet oder nützt.

In Europa wird Deutschland verlacht dafür, dass die Regierung es nicht auf die Reihe bekommt, wenigstens für eine einmalige Chance in der Geschichte zusammenzustehen. Im Inland wird das an der SPD kleben bleiben.

Die EU-Novizin Katarina Barley, SPD, machte sich lustig darüber, dass niemand von der Leyen in Europa kenne. Da hatte die frühere Justizministerin nur nie aufgepasst, sonst hätte sie gewusst, dass die Verteidigungsministerin früh von den Vereinigten Staaten Europas gesprochen hat und später für eine gemeinsame europäische Verteidigung kämpfte. Damit war sie von den USA bis Russland bekannt und bei den Staaten, die sich entweder vor Trump oder vor Putin fürchten, beliebt.

Von der Leyen wirkte und agierte als Verteidigungsministerin in Deutschland aber nicht glücklich. Jetzt kann man beobachten, wo sie sich zuhause fühlt: in Europa. Es war geschickt von ihr, als Ministerin schon vor der Wahl zurückzutreten. So steht sie als eine Politikerin da, die sich nicht an ein Amt klammert. Dabei hätte sie ihre Arbeit nur mit Mühe weiterführen können. Man denke nur an den Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre.

Wenn die 60-Jährige all das umsetzt, was sie in ihrer Rede vor dem EU-Parlament versprochen hat, würde es ein besseres Europa werden. Die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer würde europäische Pflicht, das Klima besser geschützt, die Wirtschaft gestärkt, Steuern gerechter erhoben und Frauen würden weniger benachteiligt. Aber auch von der Leyen wird an Grenzen stoßen. Nur muss man, wie immer, neue Amtsinhaber, in diesem Fall Amtsinhaberin, auch erst einmal machen lassen. Bei der EU-Kommission herrscht jetzt Aufbruch, in Merkels großer Koalition Abbruch. Misstrauen und Missgunst ist das Signal. Und die SPD sägt weiter kraftvoll an dem Ast, auf dem sie sitzt.

(kd)
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