CDU-Politikerin wechselt ins Verteidigungsministerium Ursula von der Leyen — eine Frau für alle Fälle

Berlin · Sie hat Deutschland die Kinderkrippen und das Elterngeld beschert, die Lebensleistungsrente erfunden und für die Frauenquote gestritten. Nun wird die siebenfache Mutter Ursula von der Leyen die erste Frau in Deutschland auf dem Chefsessel des Verteidigungsministeriums.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Während der Koalitionsverhandlungen war es auffallend still um Ursula von der Leyen geworden. Die geschäftsführende Arbeitsministerin mied Talkshows, gab keine Interviews und verhandelte geräuschlos mit SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles das dicke Paket Arbeit und Soziales für die große Koalition.

Von der Leyen wusste, dass sie in einer schwarz-roten Regierung ihr milliardenschweres Ministerium an die SPD wird abtreten müssen. Sie galt schon als die große Verliererin. Sie sollte in das Gesundheitsministerium geschoben werden — wie praktisch: Die Frau ist Ärztin, und alles rund um Gedöns und Soziales ohnehin ihr Metier. Zudem gilt sie als durchsetzungsstark, was sie angesichts der hartleibigen Gesundheitslobby zusätzlich für das Amt qualifizierte.

Bundesminister: Das Kabinett der großen Koalition
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Das Kabinett der großen Koalition

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Foto: RP. DPA

Und nun kommt alles anders. Am späten Samstagnachmittag sickerte die Sensation erstmals durch in der Hauptstadt: Die CDU-Allzweckwaffe von der Leyen soll von nun an die Bundeswehr führen. Dafür muss ein echtes Schwergewicht seinen Posten räumen: Der zuletzt glücklose Thomas de Maizière wird wieder Innenminister.

Unter Wulff Sozialministerin in Niedersachsen

Die 55-jährige legte einen kometenhaften politischen Aufstieg hin. Vor zehn Jahren holte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff die siebenfache Mutter als Sozialministerin in ihr Landeskabinett. Den Niedersachsen war sie damals als Tochter ihres früheren Ministerpräsidenten Ernst Albrecht ein Begriff. Nur zwei Jahre später zog die rührige CDU-Politikerin überraschend als Familienministerin ins Kabinett der ersten großen Koalition ein.

Sie strapazierte die Nerven der CDU mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und dem Elterngeld. Zugleich gelang es ihr, mit ihrem modernen Frauenbild neue Wählerschichten für die Partei zu erschließen. Als Arbeitsministerin in der schwarz-gelben Koalition hatte sie es schwerer. Die Liberalen und Teile der CDU blockierten ihre Projekte einer Geringverdienerrente, den Mindestlohn und die Frauenquote.

Nach dem Rücktritt von Christian Wulff 2010 als Bundespräsident wurde sie zwischenzeitlich als dessen Nachfolgerin gehandelt. Dies war allerdings ein Fehlalarm. Sie selbst ging reichlich gerupft aus dieser Personalspekulation hervor. Dass es damals soweit kam, liegt auch in dem schwierigen Verhältnis zwischen Merkel und von der Leyen begründet. Während Merkel lange denkt, Gespräche führt und abwartet, bevor sie entscheidet, trifft von der Leyen durchaus gerne einsame Entscheidungen.

In der eigenen Partei unbeliebt

Ein Mangel an Mut kann man ihr nicht vorwerfen. In ihrer eigenen Partei ist sie unbeliebt, weil sie stets nur ihre engen Vertrauten einbindet, aber nicht die Parteifreunde mitnimmt. Ihre Gegner bringt auf, dass sie stets den Eindruck erweckt, als gebe es kein praktisches Problem, das sie noch nicht gelöst habe: Vereinbarkeit von Ministeramt und sieben Kindern, Machtkämpfe in der Partei, die Pflege eines demenzkranken Vaters.

Trotz teils beißender Kritik an von der Leyen weiß Merkel, was sie an ihrer Ministerin hat. Wie keine zweite kann sie Talkshows bespielen, Politik erklären und auch noch strahlend lächeln, wenn gerade alles schief läuft. Stehvermögen braucht man auf der Hardthöhe auch. Davon können ihre Vorgänger ein Lied singen. Die Chefs im Verteidigungsressort gehören zu den Ministern mit den kürzesten Amtsperioden.

Wer von der Leyen kennt, weiß, dass das neue Amt für sie nicht nur eine neue Herausforderung mit neuen Problemen und internationalem Auftritt ist, sondern auch ein Statement, ein gesellschaftspolitisches Signal: Eine Frau an der Spitze der Truppe. Deutschland ist demnach für die härtesten Lebenslagen in den Händen von zwei machtbewussten Frauen: Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Das internationale Parkett lockt sie

Zudem suchte von der Leyen schon zum Ende der vergangenen Wahlperiode nach neuen Aufgaben. Während in Deutschland die Geringverdienerrente keine Zustimmung fand, warf sie sich auf das Thema Europa und schaltete sich mit der Organisation internationaler Konferenzen in den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit ein.

Das internationale Parkett lockte sie. Sie spricht fließend englisch und französisch. Im neuen Amt werde sie wieder Feuer fangen, hieß es aus ihrem Umfeld. Sie wäre auch gerne Außenministerin geworden. Nun bekommt Frank-Walter Steinmeier eine Nebenaußenministerin. Der Kanzlerin kann es Recht sein, wenn die beiden sich gegenseitig neutralisieren.

Mit dem neuen Posten erhält von der Leyen ganz nebenbei ihre Chancen aufrecht, die Kanzlerin doch noch eines Tages zu beerben. Sie selbst behauptet zwar, in jeder Generation von Politikern gebe es nur einen, der Kanzler werden kann und dies sei in ihrer Generation eben Merkel. Doch dieses Statement darf auch getrost als elegante Version betrachtet werden, zu den immer wieder kehrenden Fragen, ob sie die Nachfolge der Kanzlerin anstrebt.

Mehr Infos zum neuen Kabinett

(qua)
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