Unzureichende Corona-Beschlüsse Müder Scholz mit stumpfem Schwert

Meinung | Berlin · Kanzler Olaf Scholz wirkte am Dienstagabend, als hätte er schon 16 Jahre Kanzlerschaft hinter sich. Was er verkündete, wirkte entsprechend ambitionslos: Die Bund-Länder-Beschlüsse werden wohl nicht ausreichen, um das Anschwellen der Infektionswelle noch abzuwenden.

 Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstagabend nach den Bund-Länder-Beratungen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstagabend nach den Bund-Länder-Beratungen.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Müde und im Ton leise las Scholz, der erst seit dem 8. Dezember im Amt ist, vom Blatt ab, was Bund und Länder zur Bekämpfung der befürchteten massiven Omikron-Welle beschlossen haben. Unmittelbar vor einem neuen Höhepunkt der Corona-Krise so kurz vor Weihnachten strahlte Scholz das Gegenteil der Eigenschaften aus, die man sich in dieser Situation wünscht: Zupackend, dynamisch, entschieden wirkte Scholz nicht, sondern – einfach nur erschöpft.

Mag sein, dass das nur eine Momentaufnahme gewesen ist. Mag sein, dass die ruhige und leise Art dem Naturell des Hamburgers entspricht. Doch Scholz darf die öffentliche Wirkung seiner Auftritte nicht unterschätzen: Er ist jetzt nicht mehr Vize-Kanzler, sondern Kanzler. Er ist der Mann, von dem die Deutschen sich wünschen, dass er sie sicher durch diese und alle künftige Krisen führt. Merkel hatte nach 16 Jahren Autorität, auch wenn es ihr wie Scholz an Charisma mangelte. Ihr Nachfolger muss sich diese Autorität erst noch erarbeiten.

Auftritte wie dieser machen es seinen Kritikern leichter, Scholz´ Führung infrage zu stellen. Genau das passierte: Nicht nur der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg vermisste Führung vom Kanzler in den Bund-Länder-Gesprächen. Auch mehrere Unions-Ministerpräsidenten schlugen in diese Kerbe.

Müde war Scholz womöglich auch, weil er in der Ampel Kämpfe ausfechten muss. Die FDP tritt auf die Bremse, während Scholz wohl weiter gegangen wäre. Nun gibt es über Weihnachten keine scharfen Kontaktbeschränkungen, obwohl sich Omikron gerade rasend schnell verbreitet. Erst vom 28. Dezember an soll es die Beschränkungen auch für Geimpfte und Genesene geben, Handel und Gastronomie bleiben offen.

Das ist kein scharfes Schwert, mit dem die Scholz-Regierung hier wedelt. Nachschärfungen der Maßnahmen sind schon jetzt absehbar, doch Bund und Länder wollen sich erst am 7. Januar das nächste Mal treffen. Bis dahin ist die Omikron-Variante aber dabei, zur vorherrschenden Infektionsquelle zu werden. Die Chance, wirkungsvollere Maßnahmen vor Weihnachten zu ergreifen, hat Scholz vertan. Es mag einen gewissen libertären Charme haben, an die Eigenverantwortung der Bürger über die Feiertage zu appellieren. Erfahrungen zeigen aber, dass die Nachlässigkeit die Umsicht zu oft besiegt.

Dass die Ampel als ihre erste gesetzgeberische Maßnahme die Feststellung der epidemischen Notlage nationaler Tragweite Ende November hat auslaufen lassen, war ein Fehler, der sich schon jetzt rächt. Denn der Bund ist nun weniger als bisher in der Lage, den Ländern innerhalb sehr kurzer Zeit bundesweit einheitliche Maßnahmen vorzuschreiben. Scholz ist damit mehr noch als seine Vorgängerin der Uneinigkeit, dem Neid und dem Wettbewerbsdrang der Länder untereinander ausgesetzt. Vielleicht wirkte er auch deshalb so müde.

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