Untersuchungsausschuss Grüne wollen im Wirecard-Skandal lieber noch abwarten
Berlin · Die Auftritte von Olaf Scholz und Peter Altmaier vor dem Bundestags-Finanzausschuss an diesem Mittwoch werden mit Spannung erwartet. Eine Entscheidung über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird danach aber noch nicht fallen.
Vor der Sondersitzung des Bundestags-Finanzausschusses an diesem Mittwoch zeichnet sich vorerst kein Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal ab. Vor allem die Grünen sehen dessen Einsetzung skeptisch, da er frühestens ab November arbeiten könne und bis dahin zu viel Zeit verloren gehe, hieß es aus Kreisen der Grünen-Bundestagsfraktion. Auch FDP und Linke wollten die Auftritte von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor dem Finanzausschuss zunächst abwarten, bevor Entscheidungen über einen Untersuchungsausschuss fallen. In beiden Fraktionen ist die Bereitschaft dafür jedoch größer als bei den Grünen. Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, müssten alle drei Fraktionen zustimmen.
Der Dax-Konzern Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. In der Bilanz des Unternehmens wurden Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro vorgenommen. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs und beziffert den möglichen Gesamtschaden mittlerweile auf bis zu 3,2 Milliarden Euro. Drei Vorstände sitzen in Haft, darunter der bisherige Vorstandschef Markus Braun. Nach Vorstand Jan Marsalek, dem mutmaßlichen Haupttäter, wird international gefahndet, er wird in Russland vermutet.
Die Oppositionsparteien sehen Scholz und Altmaier in der Verantwortung für das Versagen der Finanzaufsicht und der Wirtschaftsprüfer, die jahrelang weggesehen haben. Scholz untersteht die Finanzaufsicht Bafin, Altmaier die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer.
Alle Oppositionsparteien haben umfangreiche Fragenkataloge eingereicht. Die Grünen gaben der Regierung eine Frist bis zum 10. August zur Beantwortung. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, rechnete mit weiteren Sondersitzungen des Finanzausschusses, bevor eine Entscheidung über einen Untersuchungsausschuss fallen könne. Auch das Kanzleramt müsse Fragen beantworten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte noch im September in China für Wirecard geworben, obwohl das Finanzministerium seit Februar über Vorwürfe informiert gewesen war und nach eigener Darstellung auch das Kanzleramt in Kenntnis gesetzt hatte.
Anlegerschützer kritisierten vor allem Scholz, der am Freitag Reformpläne für eine bessere Finanzaufsicht vorgelegt hatte. „Es ist erschreckend zu sehen, dass Herr Scholz nur reagiert: Die Aufstellung und auch die Schwächen der deutschen Finanzkontrolle waren ja durchaus bekannt. Jetzt einen Aktionsplan vorzustellen, bevor der Fall Wirecard aufgeklärt und das kurz vor der Sondersitzung des Finanzausschusses ist purer Aktionismus und überhastet“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler.
Scholz will unter anderem die haftungsgrenze der Wirtschaftsprüfer für Testate von derzeit bis zu vier Millionen Euro deutlich ausweiten. „Die Haftung der Wirtschaftsprüfer auszweiten ist überfällig. Wir stellen die Haftungsgrenze für Wirtschaftsprüfer aber auch grundsätzlich infrage: Warum braucht man für Wirtschaftsprüfer überhaupt eine Haftungsgrenze? In anderen Branchen wird die Haftung ja auch nicht begrenzt“, sagte Tüngler. „Wer als Kontrolleur nicht voll umfänglich haften muss, dessen Testat ist am Ende nicht viel wert.“ Die Schadenersatzklagen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY „sprießen gerade wie Pilze aus dem Boden“, so Tüngler. „Wir hatten rund 15.000 Anfragen von Wirecard-Anlegern in den letzten Wochen.“ Seit dem 1. Januar 2020 dürften sie wegen einer Gesetzesänderung nur noch bis zu 10.000 Euro aus einem Totalverlust mit Gewinnen im Aktienhandel verrechnen. „Das ist für viele Anleger, die denen ein Totalverlust bei Wirecard droht, ein Riesenproblem. Wir fordern den Gesetzgeber auf, die Änderung rückgängig zu machen und die Grenze aufzuheben.“