Treffen im Kanzleramt Wohnungsbaugipfel droht zum Flop zu werden
Analyse | Berlin · Der Wohnungsbau in Deutschland steckt in einer massiven Krise. Der Frust bei den Verbänden ist groß, sie haben viele Forderungen für den Gipfel im Kanzleramt, der Abhilfe bringen soll. Ins Visier rücken geringere Standards und das serielle Bauen.
Unter einem guten Stern steht der Wohnungsbaugipfel an diesem Montag im Kanzleramt ganz und gar nicht. Die Krise der Bau- und Wohnungswirtschaft ist immens, der Ärger über die Politik der Ampel groß – und einmal mehr musste Bauministerin Klara Geywitz (SPD) schon einräumen, dass die Regierung ihr selbst gestecktes Ziel von 400.000 neuen Wohnungen auch in diesem Jahr verfehlen wird. Der kurze Gipfel mit Branchenvertretern könnte also zum Flop werden. Nichtsdestotrotz gibt es viele Erwartungen an das Treffen.
Geywitz kündigte am Sonntag neue Hilfen zum Bau oder Kauf der eigenen vier Wände an. So will die Bundesregierung als „konjunkturellen Impuls“ eine Milliarde Euro zusätzlich in Wohnheime für Studenten oder Auszubildende investieren. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) stellte bessere Bedingungen für den Bau bezahlbarer Wohnungen in Aussicht. Dafür sollten Vorschriften vereinfacht und vereinheitlicht werden, „damit wir serielles Bauen hinbekommen und das Bauen noch billiger wird“.
Denn die Hiobsbotschaften rissen zuletzt nicht ab: So hat Deutschlands größte Wohnungsgesellschaft Vonovia den Bau Zehntausender geplanter Wohnungen wegen gestiegener Bau- und Finanzierungskosten kürzlich auf Eis gelegt. Laut Statistischem Bundesamt sind die Baugenehmigungszahlen eingebrochen, eine steigende Zahl von Baufirmen berichtet zudem über finanzielle Schwierigkeiten. Vor allem aber: „Für 2025 wird ein Fehlbedarf von 700 000 Wohnungen erwartet, wenn politisch nicht sehr schnell gegengesteuert wird“, so neulich Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).

Düsseldorfer Immobilienentwickler insolvent - betroffene Baustellen
Sein Verband und der Eigentümerverband Haus & Grund sagten ihr Kommen zu dem Treffen kurzerhand ab. Hintergrund ist der Frust über die Bundespolitik, die für die Verteuerung des Bauens eine große Rolle spiele, Stichwort verschärfte Energiesparvorgaben und Brandschutz oder das neue Heizungsgesetz.
Im vergangenen Jahr startete Bauministerin Geywitz mit der Bau- und Wohnungswirtschaft bereits ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“. Geywitz wird jetzt aus den eigenen Reihen gedrängt, das Programm „zu konkretisieren und zügig in die Umsetzung überzugehen“, wie es in einem Positionspapier des Seeheimer Kreises in der SPD heißt. „Es braucht eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive“, so der zuständige Abgeordnete Timo Schisanowski. In dem Papier wird unter anderem eine „Fertigstellungsprämie für Wohngebäude mit mehreren Wohneinheiten“ gefordert. Außerdem mehr serielles Bauen, um eine Steigerung der gebauten Wohnungen zu erreichen.
Auch Verbände fordern dies. Denny Ohnesorge, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie (HDH), sagte unserer Redaktion, dringend notwendig sei der Bürokratieabbau, „die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren sowie der Abbau von Hemmnissen beim seriellen Bauen und Sanieren“. Seriell heißt, große Teile des Baus müssen nicht mehr bei Wind und Wetter hochgezogen werden, sondern werden präzise vorgefertigt und vor Ort nur noch fachgerecht montiert. Der Anteil der seriellen Vorfertigung lag 2022 bei allen in Deutschland genehmigten Wohnbauten erst bei 21 Prozent.
Von der Flaute auf dem Bau sei inzwischen auch die Holzindustrie betroffen, ergänzte Ohnesorge. Das Krisentreffen im Kanzleramt müsse daher „handfeste“ Ergebnisse bringen. „Infrage kommt ein Konjunkturpaket Bau mit zinsgünstigen Krediten über die KfW, die Absenkung der Grunderwerbsteuer und ein Sondervermögen zur Unterstützung öffentlicher Wohnungsgesellschaften.“ Deutschlands Infrastruktur brauche dringend Modernisierungen, „vom Schulbau bis zum Wohnungsbau“, sagte der Hauptgeschäftsführer. „Wenn wir die Wohnungsnot in Deutschland lindern wollen, kommt man am modernen Holzbau nicht vorbei“, ergänzte er. „Am Rohstoff Holz wird es nicht scheitern.“
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe, betont, Hauptziel des Gipfels müsse sein, „den Konjunkturmotor Wohnungsbau wieder anzuwerfen“. Langfristig müsse das Bauen „einfacher, weniger reguliert und damit günstiger werden“.
Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) fordert zudem, die viel zu eng ausgestaltete Eigentumsförderung für Familien nachzubessern. „Zusätzlich braucht es bezahlbare Energiestandards, weshalb die Bindung an den EH40-Standard mindestens temporär ausgesetzt muss und die und die zinsvergünstigen Kreditsummen angehoben werden müssen.“ EH40 bedeutet, dass ein Effizienzhaus höchstens noch 40 Prozent des gesetzlichen Standards an Energie verbrauchen darf. Jede Menge Forderungen also - bei nur wenig Gipfelzeit.