„Unteilbar“-Protest in Berlin Andrang bei Demo gegen Rassismus übertrifft alle Erwartungen

Berlin · In Berlin haben sich weit mehr Menschen als erwartet zu einer Demonstration gegen Rassismus versammelt. Die Veranstalter vom Bündnis „Unteilbar“ sprechen von mindestens 240.000 Teilnehmern.

„Unteilbar“-Demo in Berlin: Viele Tausend protestieren gegen Rassismus
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Zehntausende bei „Unteilbar“-Demo in Berlin

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Foto: dpa/Christoph Soeder

Gefühlt ist ganz Berlin an diesem sommerlich warmen Oktobertag zum Alexanderplatz gekommen, um für ein tolerantes und weltoffenes Deutschland zu demonstrieren.

Die Veranstalter wirken überwältigt von dem Andrang: Über 240.000 Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft sind ihren Angaben zufolge gekommen - deutlich mehr als die 40.000, die im Vorfeld erwartet worden waren. Die Demonstrationsroute ist voll. Der kilometerlange Weg kann zeitweise gar nicht abgelaufen werden. Die letzten sind noch am Startpunkt, als die ersten bereits an der Siegessäule ankommen.

Teilweise wirkt die Veranstaltung wie eine große Party: Einige tragen Blumen im Haar, Glitzer im Gesicht, auch in die Luft wird Glitzer und Konfetti geschossen. Rentner laufen irritiert an Wagen vorbei, aus deren Boxen Technomusik dröhnt. Aber für die meisten geht es um ein ernstes Anliegen; das Bündnis "Unteilbar" hatte schließlich zu der Demonstration aufgerufen, um gegen Diskriminierung und für die Menschenwürde zu mobilisieren.

In dem Bündnis haben sich tausende Vereine, Verbände und Organisationen zusammengeschlossen. Parteien und Menschenrechtsgruppen, aber auch feministische Organisationen und von Migranten organisierte Verbände haben zur Teilnahme aufgerufen.

Dabei wollen sich die Veranstalter gar nicht unbedingt an die Bundesregierung richten: "Wir appellieren hier heute an die Zivilgesellschaft", sagt "Unteilbar"-Sprecherin Theresa Hartmann. "Es ist an der Zeit, dass die Leute merken: Wir müssen etwas bewegen, damit sich hier etwas ändert."

Offenbar haben dies viele Menschen gemerkt: Studierende laufen neben Familien mit Kinderwagen, alteingesessene Berliner neben Geflüchteten. Hartmann spricht vom "Herbst der Solidarität" - damit erklärt sie sich auch, dass die Demo ihrer Ansicht nach ein derartiger Erfolg ist. Mehr Menschen würden angesichts der zahlreichen rechtsgerichteten Demonstrationen der vergangenen Monate verstehen, dass sie sich engagieren müssen.

"Ich habe das Gefühl, dass mehr Leute jetzt Haltung zeigen wollen"

Das nimmt auch Sophia M. so wahr. Die deutsche Muslima ist mit ihrem algerischstämmigen Mann und ihren zwei Kindern zu der Kundgebung gekommen, weil sie Diskriminierung aus ihrem Alltag kennt. Seit den Ausschreitungen in Chemnitz erlebe die 38-Jährige allerdings, dass Menschen freundlicher zu ihr seien. "Ich habe das Gefühl, dass mehr Leute jetzt Haltung zeigen wollen", sagt sie. Offensichtlich will ihre Familie auch Berührungsängsten entgegenwirken: Ihr Mann trägt ein großes Plakat mit der Aufschrift: "I'm a muslim - don't panic" (Ich bin Muslim, verfallen Sie nicht in Panik)

Vielen Organisationen hier geht es um den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit, um Solidarität mit Flüchtlingen und allen anderen, die von Rassismus betroffen sind. Auch die Vereinigung Berliner Strafverteidiger ist gekommen. Ihr Vorsitzender Stefan Conen hält bei der Auftaktkundgebung eine Rede, in der er an die Einhaltung von Menschenrechten appelliert.

"Es kann in einem Rechtsstaat keinen Streit darum geben, dass die Wahrnehmung von Rechten allen Menschen offenstehen muss", warnt Conen mit Blick auf Forderungen nach mehr Abschiebungen.

Zahlreiche Teilnehmer erinnern in Gesprächen und auf Transparenten auch an einen "Rechtsruck" weltweit: in Ungarn mit Regierungschef Viktor Orban, den USA mit Präsident Donald Trump, in Italien mit Innenminister Matteo Salvini. In Deutschland hat die Demonstration auf jeden Fall ein Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung gesetzt, das über Grenzen hinweg Strahlkraft haben könnte.

(jco/AFP)
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