Unionsfraktionschef Volker Kauder im Interview „So einen Streit sollten wir uns nicht noch einmal leisten“

Berlin · Unionsfraktionschef Volker Kauder mahnt die Union, nach dem Asylstreit in der Regierungsarbeit „eine Schippe“ draufzulegen.

Volker Kauder (68) ist seit 2005 Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag (Archivfoto).

Volker Kauder (68) ist seit 2005 Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag (Archivfoto).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Herr Kauder, die Asylpolitik in Deutschland wird abermals massiv verschärft. Im Vergleich zu 2015 hat die Kanzlerin jetzt eine 180 Grad-Wende vollzogen.

Kauder Die Aufnahme der 890 000 Flüchtlinge im Jahr 2015 war ein humanitärer Kraftakt. Wir können stolz sein, dass Deutschland Menschen in echter Not geholfen hat und immer noch hilft. Aber es gibt auch für ein starkes Land Grenzen. Obwohl die Zahl der Flüchtlinge schon deutlich zurückgegangen ist, müssen wir die Zuwanderung noch besser ordnen, steuern und begrenzen.

Was ist von ihrer damaligen Willkommenskultur noch übrig?

Kauder Das ist nicht der Punkt. Wir halten an unseren humanitären Grundprinzipien fest. Das ist die richtige Aussage. Wer politisch verfolgt ist oder aus einem Bürgerkrieg flieht, wird im Rahmen der deutschen und europäischen Gesetze aufgenommen. Aber genauso gilt: Wer nur zu uns kommen will, damit es ihm bessergeht, der kann nicht in Deutschland oder in der EU bleiben. Diese Grundsätze wirklich durchzusetzen – das ist nach wie vor die Herausforderung, für Deutschland, aber vor allem für die EU insgesamt.

Wie lange wird der jetzt so mühevoll geschlossene Unionsfrieden halten? Bis zur bayerischen Landtagswahl Mitte Oktober?

Kauder CDU und CSU liegen fast überall auf einer Linie. In der Migrationspolitik, wo es lange Differenzen gab, sind die offenen Punkte jetzt geklärt. Jetzt kommt es darauf an, die Vorhaben umzusetzen. Das ist eine große Aufgabe. Andere Staaten wie Österreich müssen mitziehen, damit Flüchtlinge aus den Transitzentren an der Grenze zurückgewiesen werden können. Aber auch die Bundesländer müssen nun endlich den sogenannten Ankerzentren zustimmen.

Was sagt es über das Vertrauensverhältnis von Angela Merkel und Horst Seehofer aus, wenn der CSU-Chef behauptet, sie sei eine Kanzlerin von seinen Gnaden?

Kauder Die beiden haben in professioneller Weise die Asyldiskussion beendet. Und so professionell werden sie auch weiter zusammenarbeiten.

Können Sie eigentlich mit der Bilanz der Koalition nach gut 100 Tagen zufrieden sein?

Kauder Einiges ist gelungen, wie die Beschränkung des Familiennachzugs für subsidiär schutzberechtigte Flüchtlinge. Das Baukindergeld ist eingetütet. Aber wir müssen besser werden. So einen Streit sollten wir uns in der Union nicht noch einmal leisten. Unserem Land geht es wie einem guten Wettkampfsportler. Wir haben viel erreicht. Aber wir können uns auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Wir müssen uns anstrengen. Das gilt für den Ausbau des schnellen Internets und der Infrastruktur. Wir müssen endlich unsere Schulen verbessern. Wir müssen den Rechtsstaat stärken. Wir müssen Europa festigen, weil die Welt um uns herum unberechenbarer geworden ist. Kurz: Wir müssen eine Schippe drauflegen. Aber zum Glück haben wir eine überragende Kanzlerin.

Mit Volker Kauder sprach Kristina Dunz.

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