Vergewaltiger kommt frei Union will schärfere Sicherungsverwahrung für Sexualtäter

Heinsberg/München (RP). Das Oberlandesgericht München lehnt eine neuerliche Inhaftierung des Vergewaltigers Karl D. ab – und verweist auf die Politik. Der Justitiar der CDU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, fordert jetzt eine Gesetzesänderung.

Heinsberg/München (RP). Das Oberlandesgericht München lehnt eine neuerliche Inhaftierung des Vergewaltigers Karl D. ab — und verweist auf die Politik. Der Justitiar der CDU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, fordert jetzt eine Gesetzesänderung.

Die Menschen, da ist sich der Heinsberger Landrat Stefan Pusch (CDU) sicher, werden diese Entscheidung nicht verstehen: "Das Gericht stellt zwar die Gefährlichkeit des Mannes nicht infrage, lässt ihn aber trotzdem in Freiheit. Eine unbefriedigende Argumentation." Seit rund 70 Tagen schiebt die Kreispolizei vor dem Wohnsitz von Karl D. in einem kleinen Heinsberger Ortsteil Wache, vor dem auch gestern Abend wieder demonstriert wurde.

Mehrfach ist der Sexualstraftäter seinen Bewachern schon entwischt, zwischenzeitlich eskalierte die Situation. Helmut D., der seinen Bruder Karl aufgenommen hat, drohte mit einem Amoklauf. Karl D. hatte in den 80er Jahren ein Mädchen vergewaltigt, war nach sechs Jahren freigekommen, vergewaltigte und folterte erneut zwei Mädchen und saß weitere 14 Jahre in Haft. Er gestand seine Schuld nie ein, verweigerte sich jeder Therapie und stieß Drohungen gegen seine Opfer aus. Gutachter halten ihn weiter für extrem gefährlich. Trotzdem lehnte das Landgericht München sowohl die nachträgliche Sicherungsverwahrung als auch eine vorläufige Inhaftierung bis zur Klärung des Streits ab.

In der Begründung seiner Beschwerdeabweisung macht das Oberlandesgericht (OLG) der Staatsanwaltschaft München keine Hoffnung, die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen Karl D. vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe durchsetzen zu können: "Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers besteht derzeit keine rechtliche Möglichkeit, nachträglich die Sicherungsverwahrung anzuordnen." Dazu seien neue Tatsachen nötig, die sich erst nach der Verurteilung ergeben hätten. Das sei aber bei Karl D. nicht der Fall.

Dass neue Gutachten bei der Bewertung seiner Taten zu einer veränderten Diagnose kämen, stelle keine neue Tatsache dar, so die OLG-Richter: "Gewandelt hat sich lediglich der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Aussagekraft zweier einschlägiger Sexualdelikte." Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung scheide nach derzeitigen Rechtslage aus. Der festgestellten Gefährlichkeit von Karl D. müsse daher "mit der Maßregel der gesetzlich eingetretenen Führungsaufsicht begegnet werden."

Für den Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Krings, ist das Münchner OLG-Urteil "nur schwer nachvollziehbar". Es sei für ihn "nicht ersichtlich, warum eine verschärfte Diagnose keine neue Tatsache darstellt, die eine nachträgliche Sicherungsverwahrung rechtfertigt", sagte Krings unserer Zeitung. Für den Fall, dass auch der Bundesgerichtshof hier von einer Rechtslücke ausgeht, sieht der Mönchengladbacher CDU-Abgeordnete den Bundestag in der Pflicht, darauf zu reagieren. Krings: "Dann ist zweifellos der Gesetzgeber gefragt." Für die Union sei klar: "Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen im Umfeld solcher unverbesserlichen Täter nehmen wir sehr ernst." Eine Sprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft erklärte, man plane trotz der OLG-Entscheidung nicht, auf die Revision vor dem Bundesgerichtshof zu verzichten.

Den Heinsbergern nützt das vorerst jedoch gar nichts. Bis sich der Bundesgerichtshof mit dem Thema befasst, wird mindestens ein halbes Jahr vergehen. Landrat Pusch will die 24-stündige Polizei-Bewachung, die den Steuerzahler monatlich rund 100.000 Euro kostet, zum Schutz der Bürger nun weiter fortsetzen. Das könnte sich hinziehen. Erst im April hat der Bundesgerichtshof in einem ähnlichen Fall "trotz der erkennbaren Gefährlichkeit des Verurteilten" die nachträgliche Sicherungverwahrung abgelehnt, deren Anordnung zuvor schlicht versäumt worden war. Auch diesem Täter war ein hohes Rückfallrisiko attestiert worden.

(RP)
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