Parteien sehen Linksruck der SPD Union warnt vor Gefährdung der Koalition

Hamburg (RPO). Nach dem Linksruck der SPD wird der Ton in der großen Koalition schärfer: Führende Unions-Politiker ermahnten die SPD, die große Koalition nicht zu gefährden. Angela Merkel distanzierte sich vom neuen Kurs der Sozialdemokraten, äußerte jedoch die Erwartung, mit der Partei weiter gut zusammenarbeiten zu können.

Eindrücke vom SPD-Parteitag
21 Bilder

Eindrücke vom SPD-Parteitag

21 Bilder
Foto: AP

Merkel betonte, für sie blieben die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Stärkung der Grundlagen des Aufschwungs Maßstab der Arbeit. Die Kanzlerin fügte hinzu: "Und ich bin ganz überzeugt, dass ich die Regierung davon überzeugen kann - alle Mitglieder, auch die der SPD." Sie arbeite sowohl mit Vizekanzler Franz Müntefering als auch SPD-Chef Kurt Beck gut und intensiv zusammen.

Merkel signalisierte auch bei der Verlängerung des Arbeitslosengelds (ALG I) für Ältere Gesprächsbereitschaft. Die Union werde der Neuerung allerdings nur zustimmen, wenn sie kostenneutral sei. "Ich bin gesprächsbereit, aber ich sage auch ganz klar: Alles muss sich dem Ziel unterordnen: Sozial ist, was Arbeit schafft."

Oberstes Ziel sei es, "soweit wie möglich die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu senken". "In diesem Rahmen können wir mit den Sozialdemokraten reden", fügte Merkel hinzu.

Merkel warnte zugleich vor einem zwei Jahre dauernden Wahlkampf. Das werde es mit Sicherheit mit ihr nicht geben. Sie sei als Bundeskanzlerin gewählt, damit es Deutschland besser gehe.

Von anderen Unions-Politikern kamen schärfere Töne. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer kritisierte, bei der SPD gebe es offenbar kein Interesse mehr an konstruktiver Mitarbeit. "Mit diesem Parteitag beginnt die SPD, sich vom Wählerauftrag und vom Koalitionsvertrag zu verabschieden", sagte sie. SPD-Chef Kurt Beck müsse aufpassen, "dass er nicht einen Bruch in der Koalition riskiert".

Ronald Pofalla kündigte an, dass seine Partei die Umsetzung großer Teile der SPD-Parteitagsbeschlüsse blockieren werde. "Die CDU wird dafür sorgen, dass die ganzen aufschwungfeindlichen Beschlüsse des SPD-Parteitages nie Regierungspolitik werden", so Ronald Pofalla im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

CDU-Vize Jürgen Rüttgers warf der SPD vor, Koalitionen mit der Partei Die Linke im Bund vorzubereiten. "Allen Erklärungen, Rot-Rot komme nur auf Landesebene in Frage, traue ich nicht", betonte Rüttgers. Aus Sicht von FDP-Chef Guido Westerwelle ist die SPD "bereit für Rot-Rot-Grün".

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast begrüßte dagegen, dass die SPD sich wieder mehr Gedanken ums Soziale mache. Auch ihre Partei suche einen neuen Aufbruch in der Sozialpolitik, sagte Künast.

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, "wenn sich die SPD ändert, dann gibt es irgendwann einen Grad an Übereinstimmung, bei dem wir gar nicht umhinkommen, zu koalieren". Linke-Partei- und -Fraktionschef Oskar Lafontaine äußerte sich skeptischer. Die Bewegungen der SPD nach links seien "leise und vorsichtig".

Zudem habe Beck selbst die Behauptung, er rücke nach links, als hanebüchen bezeichnet. "Wenn er das ernst meint und bei der 'Agenda'-Politik bleibt, ist eine Politik der sozialen Gerechtigkeit von ihm leider nicht zu erwarten", sagte Lafontaine mit Blick auf die "Agenda 2010" der früheren rot-grünen Bundesregierung.

Der wiedergewählte SPD-Chef Kurt Beck sagte zum Abschluss des Parteitages: "Wir haben die Weichen für eine zukunftsfähige Politik gestellt." Er verteidigte zudem das klare Bekenntnis der SPD zum demokratischen Sozialismus.

Neues Selbstbewusstsein demonstrierte die SPD auch gegenüber der eigenen Führungsspitze. Die Delegierten forderten überraschend ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern. Auch in diesem Punkt kündigte Pofalla Widerstand an: Der Nutzen eines Tempolimits von 130 auf Autobahnen stehe in keinem Verhältnis zu den Einschränkungen für Autofahrer, sagte Pofalla. "Mit der CDU wird es eine solche Gängelei nicht geben."

Eine Mehrheit fand sich in der SPD auch für eine Verlängerung des lange umstrittenen Anti-Terror-Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan. Weiter will die SPD einen Umbau der Bundeswehr hin zu einer Freiwilligenarmee; formal soll aber an der Wehrpflicht festgehalten werden.

Die Bahn soll nach dem Willen der gut 500 Delegierten ausschließlich über "Volksaktien" privatisiert werden, um keinen Einfluss von renditehungrigen Investoren zuzulassen. Die SPD tritt außerdem für beitragsfreie Kitas, den Ausbau der Ganztagsbetreuung und einen bezahlten Pflegeurlaub ein.

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort