Union und SPD im Clinch Grundrente droht im Parlament zu scheitern

Berlin · Union und SPD streiten schon wieder über die neue Rente für Geringverdiener. Zu einer pünktlichen Auszahlung ab Januar 2021 wird es nicht kommen. Selbst wenn das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollte, kann die Rentenversicherung die neue Leistung nicht so schnell umsetzen.

 Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mahnt, dass die „Corona-Helden“ die Grundrente erhalten sollen.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mahnt, dass die „Corona-Helden“ die Grundrente erhalten sollen.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Für die Opposition im Bundestag ist eine Debatte um die Grundrente mittlerweile eine Art Elfmeterschießen. Der Grünen-Sozialexperte Markus Kurth nutzte die Gelegenheit genüsslich. Er verglich den nunmehr zehnjährigen Streit um die neue Sozialleistung für Geringverdiener mit der Eroberung des Südpols und attestierte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), so weit wie er sei bislang noch niemand vorgedrungen. Aber Heil ist eben auch immer noch nicht am Ziel angekommen. „Kein Mensch weiß, ob er die Grundrente bekommt und, wenn ja, wie viel“, spottete der Grüne.

Zur Erinnerung: Im vergangenen Herbst hatten die Parteichefs der großen Koalition eine Einigung auf die Details der Rente für Geringverdiener verkündet. Wer mindestens 33 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rente vorweisen kann, also Jahre der Erwerbstätigkeit, der Kindererziehung oder der Pflege, soll die Grundrente bekommen können. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen nicht mehr als 1250 Euro (Eheleute: 1950 Euro) an anderen Einkünften pro Monat beziehen. In einem Korridor bis 1600 Euro für Alleinstehende und 2300 Euro für Paare an Einkommen pro Monat kann die Grundrente noch mit Abzügen gezahlt werden. Nach dem Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums könnten etwa 1,3 Millionen Senioren von der Grundrente profitieren.

Ursprünglich geplant war, dass die neue Rente ab Januar 2021 gezahlt wird. Die Rentenversicherung soll mithilfe einer Einkommensprüfung über die Finanzämter die Grundrente auszahlen. Schon jetzt ist klar, dass eine Auszahlung ab Januar rein organisatorisch nicht mehr zu schaffen ist. Ob die Rente im ersten Halbjahr 2021 rückwirkend ausgezahlt werden kann, ist ebenfalls ungewiss. Denn Union und SPD haben sich bei dem Thema erneut verhakt, wie die erste Lesung des Gesetzes am Freitag im Bundestag zeigte. Es sei ein „verheerendes gesellschaftliches Signal“, erklärte Arbeitsminister Heil, wenn Interessenvertreter, die in der Corona-Krise Milliardensummen vom Steuerzahler forderten, den anderen nicht einmal die Grundrente gönnten. Zuvor hatte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) damit gedroht, die Grundrente im Bundestag zu blockieren, weil ihm ein Finanzierungskonzept und die Bedarfsprüfung fehlen.

Die Finanzierung der Grundrente ist tatsächlich offen: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte als Gegenfinanzierung die Transaktionssteuer in Aussicht gestellt. Diese muss aber erst im Schulterschluss mit einer Reihe anderer europäischer Länder eingeführt werden. Bislang zeichnet sich dafür kein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene ab.

Die Auswirkungen der Corona-Krise spitzen den Streit zwischen Union und SPD um die Grundrente weiter zu. Während sich in der Union die Stimmen mehren, vor dem Hintergrund der massiv steigenden Staatsausgaben das Projekt einzudampfen oder gänzlich auf Eis zu legen, sieht Heil jetzt erst recht Bedarf. Der Arbeitsminister verwies darauf, dass es um eine „ordentliche Rente“ für Pflegehilfskräfte, Paketboten, Lkw-Fahrer, Friseure, Beschäftigte in Supermärkten und Servicekräfte gehe. Sie hätten mehr verdient als die Anerkennung als „Corona-Helden“.

(qua)
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