Union und SPD Warum die Volksparteien in Deutschland bedroht sind

Berlin · Drohen die Volksparteien auszusterben wie einst die Dinosaurier? Sie erweisen sich jedenfalls nicht als besonders anpassungsfähig in der sich rasant wandelnden Zeit.

Warum die Dinosaurier ausgestorben sind, dazu gibt es viele Theorien, aber keine gesicherte. Eine plausible: Das Klima und  die Pflanzen haben sich verändert, die Erdkrusten gerieten in Bewegung. Die Dinosaurier konnten sich nicht schnell genug anpassen. Den  Volksparteien CDU, CSU und SPD könnte es gehen wie den Dinosauriern: Das politische Klima ändert sich, die Kommunikationskanäle vervielfachen sich und immer weniger Menschen haben Lust, sich hinter einer Fahne zu versammeln. Die Parteien wiederum erweisen sich nicht als wendig genug, diesen Herausforderungen standzuhalten. Vier Thesen, warum schon nichtige Anlässe wie der Fall Maaßen die Volksparteien aus dem Tritt bringen und ihre existenzielle Bedrohung zeigen.

Das Problem der Volksparteien sind die Volksparteien. CDU, CSU und SPD haben jeweils eine Reihe von hausgemachten Problemen. Die Sozialdemokraten stecken in dem Strudel, in den auch ihre europäischen Parteifreunde in Frankreich, in den Niederlanden und in Italien geraten sind. Ihre großen gesellschaftspolitischen Forderungen sind erreicht. Die SPD erweist sich bisher als unfähig zur Erneuerung und zum Erschließen und Integrieren neuer Wählerschichten. Dabei ist die Integration ganz unterschiedlicher Interessen das Lebenselixier von Volksparteien.

Die CSU hat in ihrem Beharren auf den Anspruch einer absoluten Mehrheit die Zeichen der Zeit völlig verkannt. In einer Gesellschaft, in der Vernetzung und  Individualität eine immer größere Rolle spielen, ist es ignorant zu meinen, man käme dauerhaft ohne Koalitionspartner aus. Zudem hat die CSU mit Horst Seehofer an der Spitze die personelle Erneuerung versäumt.

Das gleiche Problem hat die CDU mit Parteichefin Angela Merkel und Fraktionschef Volker Kauder. Es ist ohnehin eine Sensation, dass sich das Duo in einer so schnelllebigen Zeit schon so lange an der Macht halten kann. Nachdem sie sich in ihre vierte Amtszeit geschleppt haben, erodiert die Macht, während die Nachfolge noch nicht geregelt ist.  So entsteht ein Vakuum, in das andere politische Kräfte stoßen können. Grundsätzlich kann das auch eine politische Bewegung der Mitte sein, für die in Deutschland bislang nur die charismatische Führungsfigur fehlt.

Die Volksparteien haben keine Rezepte gegen Abstiegsängste. Die Arbeitsmarktreformen der Regierung von Gerhard Schröder sind eine wichtige Grundlage für brummende Konjunktur und gute Beschäftigung heute. Mit diesen Reformen sind aber auch Abstiegsängste in die Gesellschaft eingezogen. Deutschland und damit auch seine Bürger haben viel zu verlieren: Globalisierung und Digitalisierung sorgen dafür, dass die Sicherung des Wohlstands in Zukunft auf andere Säulen gestellt werden muss. Die Volksparteien mit ihren alten Rezepten wirken mit dieser Aufgabe überfordert. Der starke Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland ist zudem ein gefährlicher Katalysator der Abstiegsängste. Auch auf die Fragen, wie Europa seine Außengrenzen schützt und die ankommenden Flüchtlinge integriert, geben die Volksparteien keine klaren Antworten. Vielmehr zerstreiten sie sich über kleine Probleme, wie einen Verfassungsschutzchef, der unangemessene Interviews gibt. Derweil können die Populisten von rechts und links mit einfachen Antworten punkten. Wenn ein  Kompromiss der Chefs  der Volksparteien zudem darin besteht, dass der besagte Spitzenbeamte noch befördert wird, dann verschärft das auch Abstiegsängste. Denn mit solchen Entscheidungen zerbricht das Vertrauen, dass es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht: Wonach der Tüchtige aufsteigen kann und wer Fehler macht, in seine Schranken verwiesen wird.  

Die Volksparteien fremdeln mit den sozialen Netzwerken. Selbstverständlich haben CDU, CSU und SPD ihre Newsrooms, ihrer Digital-Teams, und die Spitzenpolitiker können auch Twitter-Accounts bedienen. Das Problem aber ist:  Die Volksparteien machen mit in den sozialen Netzwerken, es gelingt ihnen nicht, die Debatten zu beherrschen und zu lenken. Viel zu oft sind sie die Getriebenen. Erschrocken reagieren sie nur auf die Ausbrüche im Netz. Nun findet sich in den sozialen Netzwerken mitunter eine Debattenkultur, mit der seriöse Vertreter von Volksparteien zu Recht fremdeln. Sie ist in Teilen aggressiv, unsachlich, gar justiziabel. Aufgabe der Politik aber wäre es, mehr sachliche Auseinandersetzung ins Netz zu tragen, als hilflos zuzusehen, wie sich die Pöbeleien im Netz auch auf der Straße breitmachen. Das Netz hat der Politik einen bitteren Ansehensverlust beschert, der die Volksparteien besonders hart trifft.

 Unangefochten Volkspartei - das gilt für die SPD nicht mehr. Im Bild ein SPD-Plakat mit Gerhard Schröder aus dem Jahr 2005.

Unangefochten Volkspartei - das gilt für die SPD nicht mehr. Im Bild ein SPD-Plakat mit Gerhard Schröder aus dem Jahr 2005.

Foto: AP

Die Volksparteien bieten aus sich heraus keine politische Alternative mehr. Jahrzehntelang war die  politische Landschaft der Bundesrepublik wunderbar übersichtlich. Die Bürger sortierten sich in rechts oder links, in Union oder SPD, in bürgerlich oder progressiv. Die FDP diente als Mehrheitsbeschaffer. Als die Grünen hinzukamen, teilten sich die Lager in Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Diese Zeiten sind unwiderbringlich vorbei. Als rechts und links verstehen sich heute eher die politischen Extreme. „Lagerwahlkampf“ ist ein Wort fürs Geschichtsbuch. Das Problem ist, dass Union und SPD nicht mehr als politische Alternativen wahrgenommen werden. Union und SPD kommen heute zusammen auf Umfragewerte von knapp unter 50 Prozent, die die Union einst alleine hatte.  Erschwerend kommt hinzu, dass man sich die SPD als Kanzlerpartei kaum noch vorstellen kann. Je nach Bundesland kommen auch Grüne, Linke oder AfD auf knapp 20 Prozent, wie sie die Sozialdemokraten in Umfragen aufweisen. Die Kanzlerfähigkeit aber ist der Markenkern einer Volkspartei.

(qua)
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