Politiker stellen Adoptionsurteil infrage Union legt sich mit Verfassungsgericht an

In der Öffentlichkeit genoss das Bundesverfassungsgericht bislang höchstes Ansehen, seine Worte galten quasi als unantastbar. Nun aber stellen Unions-Politiker das Urteil zum Adoptionsrecht homosexueller Paare offen infrage. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle habe seine Kompetenzen überschritten.

 Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle (Mitte) zeigt sich angesichts der scharfen Kritik aus der Union gelassen.

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle (Mitte) zeigt sich angesichts der scharfen Kritik aus der Union gelassen.

Foto: dpa, Uli Deck

Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zum Adoptionsrecht homosexueller Paare ist zwischen der Union und dem obersten deutschen Gericht ein heftiger Streit entbrannt. Politiker von CDU und CSU stellten das Urteil am Wochenende offen infrage.

Unmut richtete sich auch gegen Äußerungen von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, der bei der Frage der Gleichstellung auf eine Kontinuität der Karlsruher Entscheidungen verweist. Dies gilt als Andeutung, dass das Gericht im Sommer auch die steuerliche Ungleichbehandlung homosexueller Paare beanstanden wird, über die die Union allerdings tief zerstritten ist. Auch Kritik an der Pressearbeit des Gerichts wurde laut.

Kauder geht Voßkuhle offen an

CSU-Chef Horst Seehofer warf dem Verfassungsgericht vor, durch Ankündigung und Kommentierung von Entscheidungen seine Rolle zu überschreiten. Es sei nicht dessen Aufgabe, "durch Öffentlichkeitsarbeit den politischen Prozess zu begleiten", sagte er im ZDF.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder ging Voßkuhle im "Spiegel" wegen eines Hintergrundgesprächs mit Journalisten vor wenigen Tagen in Berlin direkt an. "Ich würde mir wünschen, dass er auch einmal mit uns in den Fraktionen spricht, wenn er schon in Berlin ist und Hintergrundgespräche mit den Medien führt", sagte der CDU-Politiker. Das Gespräch in der Bundespressekonferenz bezeichnete der CDU-Politiker als beispiellosen Vorgang.

Auch Lammert relativiert

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kommentierte den Vorgang mit den Worten: "Bekanntlich sprechen Richter durch ihre Urteile." Und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte dem "Spiegel": "Das Bundesverfassungsgericht ist eines von fünf Verfassungsorganen, aber nicht das höchste."

Auf Unmut stieß erneut das jüngste Urteil, in dem die Karlsruher Richter Beschränkungen für Homo-Paare beim Adoptionsrecht beanstandet hatten. Demnach haben Homosexuelle in einer eingetragenen Partnerschaft das Recht, ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind zu adoptieren.

"Ziemlich gewagt"

Seehofer sagte im ZDF, der Richterspruch gebe die gesellschaftliche Notwendigkeit und Realität nicht richtig wieder und müsse in den nächsten Wochen und Monaten diskutiert werden. Gesellschaftspolitische Grundentscheidungen seien von Bundestag und Bundesrat zu fällen, sagte der bayerische Ministerpräsident.

Kauder monierte, die Aussage des Verfassungsgerichts, das Kindeswohl sei in homosexuellen Beziehungen nicht negativ betroffen, sei eine "ziemlich gewagte Aussage". Hierzu lägen kaum aussagefähige Studien vor. Viele Therapeuten seien ausdrücklich anderer Meinung.

Voßkuhle verweist auf Kontinuität

Voßkuhle wies die Kritik aus der Union zurück. "Es gibt mittlerweile sechs Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die in einer Linie stehen und die es zulassen, eine gewisse Prognose auch für weitere Entscheidungen zu geben", sagte er dem ZDF. "Insofern bin ich überrascht, dass diese Entscheidung jetzt ganz besonders in den Fokus gerät. Man hätte auch andere Entscheidungen vorher nehmen können und über das Thema intensiver diskutieren können."

Die Kritik, das Verfassungsgericht sei ein politischer Akteur, gebe seit Bestehen des Gerichts. Im vorliegenden Fall sehe er da keine besondere Situation.

"Wer schützt uns vor den Richtern?"

Der Unmut in der Union braut sich seit längerem zusammen - nicht nur wegen der Urteile zur Gleichstellung sondern auch zu EU-Themen. Die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach hatte vor wenigen Tagen getwittert: "Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor den Verfassungsrichtern?"

Im Unionsstreit über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften verhärteten sich derweil die Fronten. Während Finanzminister Wolfgang Schäuble dafür plädierte, schwule und lesbische Partnerschaften steuerlich mit Ehepartnern gleichzustellen, sagte Kauder, mit der Union werde es "keine totale Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft geben".

Auch Seehofer schloss hierzu ein Gesetz in dieser Wahlperiode aus. "Es gibt jetzt und auch bis zum Sommer überhaupt keine Veranlassung, die steuerliche Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften gesetzlich neu zu regeln", sagte Seehofer der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der Koalitionspartner FDP mahnte dagegen Bewegung bei der Union an.

(REU/pst)
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