Brinkhaus kandidiert gegen Kauder „Mal Luft ablassen“ bei Unionsfraktionssitzung

Berlin · Der Vize fordert den Chef heraus - Ralph Brinkhaus eröffnet mit seiner offiziellen Vorstellung in der Unionsfraktion die Kampfkandidatur gegen Volker Kauder. Er könnte ein Ventil für den Unmut über Angela Merkel sein.

 Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU).

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU).

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die Aussichten für Ralph Brinkhaus sind nicht gerade rosig. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende kann jetzt aber nicht mehr zurück. Am 25. September wird der 50-jährige Finanzexperte aus dem Wahlkreis Gütersloh bei der Fraktionsvorstandswahl gegen den Chef antreten. Für Volker Kauder ist es die erste Kampfkandidatur seit seinem Amtsantritt 2005. CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel schlug den 69-Jährigen am Montagmorgen in den Spitzengremien der Christdemokraten als ihren Kandidaten vor.

Es ist zur Gewohnheit bei der Union geworden, dass Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer gemeinsam einen Namen für diesen Posten nennen. Und wenn die Kanzlerin und den Bundesinnenminister auch sonst nur noch wenig eint - in diesem Fall ziehen sie an einem Strang. Jedenfalls sagt das CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, und der ist nah am Parteichef.

Im CDU-Vorstand wurde Beifall geklatscht, als Merkel sich noch einmal deutlich für Kauder  aussprach, berichten Teilnehmer. Auch einige von denen, die gern einen Wechsel an der Spitze der Fraktion hätten, werden in der geheimen Wahl womöglich ihr Kreuz bei Kauder machen, heißt es. Brinkhaus habe es falsch eingefädelt, indem er zu Merkel mit der Bitte um Unterstützung ging, ohne sich vorher des Rückhalts in der Fraktion versichert zu haben. Einen neuen Krach wolle die Mehrheit der Fraktion nach dem Asylstreit vom Sommer und der Dauerfehde zwischen Merkel und Seehofer um die Migrationspolitik nicht riskieren. 

Eine Wahl von Brinkhaus wäre eine Beschädigung der Kanzlerin, sagt ein Abgeordneter kurz bevor sich der Finanzexperte in der Fraktionssitzung am Montag offiziell als Kandidat vorstellt. Merkel sitzt in der Mitte der Vorstandsreihe bei Kauder, Brinkhaus außen. Für sie ist das alles eine unnötige Schleife. Sie will Kauder, ihren langjährigen politischen Begleiter aus Baden-Württemberg. Wahrscheinlich werden beide gleichzeitig ihre politische Karriere in Deutschland beenden.

Bei der Wahl 2017 – die Unionsfraktion wählt ihren Vorstand stets unmittelbar nach der Bundestagswahl für ein Jahr und dann für den Rest der Legislaturperiode – hatte Kauder nur rund 77 Prozent bekommen, weit weniger als bei seinen Wahlen zuvor. Der Unmut über ihn hatte sich aufgestaut, weil er oft, auch mit harten Bandagen, Merkels Interessen durchsetzte. Die Chancen von Brinkhaus werden im Kauder-Lager so eingeschätzt, dass Kauder wieder in etwa 77 Prozent erreicht. 

Ganz anders sieht das der Europaabgeordnete Elmar Brok, der wie Brinkhaus aus Nordrhein-Westfalen stammt. Brinkhaus sei ein Unterstützer der Kanzlerin und habe selbst viele Unterstützer, er sei loyal und sachkundig und beliebt, sagt Brok unserer Redaktion. Bei seiner letzten Wahl zum Stellvertreter habe er 97 Prozent bekommen. Brok gibt zu Bedenken: „Es besteht manche Unzufriedenheit mit Volker Kauder. Mit Brinkhaus würde die Fraktion zu neuen Ufern aufbrechen können. Er wäre auch ein Ventil für den Unmut in der Fraktion. Damit könnten viele mal Luft ablassen.“ Genau das behagt Merkel eben nicht so sehr. 

Brinkhaus, der seit 2014 Vizevorsitzender ist, habe in der Fraktionssitzung eine sehr gute Vorstellung hingelegt, heißt es am Abend von CDU- und CSU-Mitgliedern. Viel besser als während der Vorstandsklausur in der vorigen Woche als es nach seinem Auftritt mucksmäuschenstill geblieben sei.

Kauder habe dazu aufgerufen, gemeinsam und mit Augenmaß die Koalition zu prägen. Brinkhaus habe davon gesprochen, dass er viel Unzufriedenheit spüre. Er habe an das Wir-Gefühl der Fraktion appelliert und dafür geworben, dass sie sich mehr als Team versteht. Er habe Merkels Position gestützt, aber für mehr Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Fraktion geworben. Damit habe er den Nerv vieler Abgeordneter getroffen. Frisch und selbstbewusst.

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