Nach dem "Euro-Hawk"-Debakel Union: Es geht um de Maizières Zukunft

Berlin · An diesem Mittwoch beendet der Verteidigungsminister sein wochenlanges Schweigen um die Hintergründe und Verantwortlichen beim Scheitern des Aufklärungsdrohnen-Projekts "Euro Hawk". Die Linken erwarten bereits seinen Rücktritt.

Thomas de Maizière – Kanzleramtschef, Verteidigungsminister, Innenminister
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Das ist Thomas de Maizière

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Foto: dpa, nie pil his

"Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht, vielen Dank." Das waren 2011 die letzten Worte Karl-Theodor zu Guttenbergs vor seinem Rücktritt als Verteidigungsminister. Vorangegangen war ein wochenlanges Trommelfeuer. Eines der Größenordnung "Stahlgewitter", dem nun auch sein Nachfolger Thomas de Maizière ausgesetzt ist. Schon halten die Linken den Rücktritt de Maizières nur noch für eine "Frage der Zeit". Aber auch seine eigene Partei legt die Messlatte höher: Es gehe um die Zukunft des Verteidigungsministers, sagt Unionsfraktionschef Volker Kauder.

Dass nun "dunkle Wolken" über dem Minister aufziehen, wie die SPD mit der Forderung nach "personellen Konsequenzen" feststellt, hat de Maizière selbst mit heraufbeschworen. Er entschied sich selbst für eine mehrwöchige Prüf- und Nachdenkpause, als die ersten Nachfragen gekommen waren, warum das Ministerium trotz dringender interner Warnungen vor einer fehlenden Zulassungsfähigkeit des "Euro Hawk"-Drohnenprojekts fast 15 Monate brauchte, bis es die Reißleine zog.

Mindestens 250 Millionen Euro wurden in den Sand gesetzt, vielleicht auch deutlich mehr. Völlig unklar ist auch, was der Verteidigungsminister an Kosten hätte vermeiden können, wenn die Spitze seines Hauses schon Ende 2011 alles auf "Stopp" gestellt hätte.

Schweigegelübde und interne Prüfung

Als langjähriges Regierungsmitglied in Sachsen und im Bund hat de Maizière den Abgang einer ganzen Reihe von Kollegen aus der Nähe erleben können. Dabei war immer wieder zu besichtigen, dass der Umgang mit einer Affäre meistens brisanter ist als die Ursache selbst. Jeder PR-Berater empfiehlt Konzernen für Krisenszenarien schnellste und größte Offenheit, um Vertrauen zurückzugewinnen und aus den Schlagzeilen herauszukommen.

Das Gegenteil verordnete de Maizière: Er legte sich selbst und seinen Mitarbeitern ein Schweigegelübde auf. Erst müsse intern alles genauestens überprüft werden. Die Zweifel einer derart misstrauisch gestimmten Öffentlichkeit verstärkte er noch, indem er die interne Prüfung in die Hände eines 40-köpfigen Teams unter der Leitung des Rüstungs-Abteilungsleiters legte. Ausgerechnet Detlef Selhausen beauftragte er also mit der Prüfung, ob Detlef Selhausen möglicherweise etwas falsch gemacht hat.

Statt jeden Tag sofort auf neue Vermutungen, Verdächtigungen und Belege zu reagieren und damit die Frontstellung aufzuweichen, baut de Maizière seine Truppen zu einer groß angelegten Entscheidungsschlacht für den morgigen Mittwoch auf: Dann will er dem Bundestag und der Öffentlichkeit alles erklären.

"Merkwürdiges Krisenmanagement", heißt es dazu selbst in der Koalition. Auffallend zurückhaltend äußert sich auch die Kanzlerin. Ihr Minister nehme sich die "notwendige Zeit, um dem Bundestag eine möglichst umfassende Übersicht über den Sachverhalt geben zu können". Unterkühlter lässt sich diese Strategie kaum noch kommentieren. Und so richten sich die Koalitionsgranden auf den Zuschauerrängen ein, statt Seite an Seite mit dem Minister in die Arena zu ziehen.

FDP verlangt Alternativen zu "Euro-Hawk"

Die lange Schweigezeit führte zudem dazu, dass die Erwartungen an de Maizière von Tag zu Tag stiegen. Für die FDP geht es morgen nun nicht mehr nur darum, dass der Verteidigungsminister ein "schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtlagebild" liefert, wie Verteidigungsexpertin Elke Hoff klarmacht.

Die FDP erwartet inzwischen mehr: "Der Verteidigungsminister muss auch Perspektiven aufzeigen, wie die Bundeswehr nun zu den dringend benötigten Aufklärungs-Fähigkeiten kommt", betont die liberale Fachfrau. Mit Blick auf die laufenden Einsätze in Afghanistan und am Horn von Afrika sei doch jedem klar, dass die Bundeswehr auf die Signalaufklärung angewiesen sei. "Dafür haben wir doch das Drohnenprojekt beschlossen", erinnert Hoff.

Auch die Industrie sieht an dieser Stelle eine offene Flanke. Die Kosten, um den "Euro Hawk" zulassungsfähig zu machen, lägen "unter 200 Millionen Euro", erklären die Hersteller. Das Verteidigungsministerium hatte sie zuvor auf 600 Millionen geschätzt — und das Projekt deshalb gestoppt. Der springende Punkt ist die Ausstattung mit einem Anti-Kollisionssystem.

Wie nötig das ist, weiß das Verteidigungsministerium seit neun Jahren: Da hatte eine "Luna"-Drohne in Afghanistan beinahe ein Passagierflugzeug zum Absturz gebracht. Die dazu nun aufgetauchten Bilder verstärken die verbreitete Aversion gegen Drohnen — und erhöhen den Druck auf de Maizière erneut. Der Mittwoch wird deshalb auch zu einem Test, wo die Grenzen seiner Kräfte liegen.

(may-)
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