CDU-Chefin an den Flügeln gefordert AKK steht vor einer großen Baustelle

Berlin · Weil sich Annegret Kramp-Karrenbauer zuerst um die Konservativen gekümmert hat, erinnern ihre liberalen Anhänger sie jetzt an Merkels Erbe. Flügelkämpfe zu verhindern, ist die nächste Baustelle für die CDU-Chefin.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat in knapp vier Monaten etwas geschafft, was die CDU unter ihrer Vorgängerin Angela Merkel so wohl nicht mehr erlebt hätte: Die ausdrückliche Einbindung und Wertschätzung der Konservativen. Die 56-Jährige hat sich nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden als erstes daran gemacht, die enttäuschten Anhänger ihres unterlegenen Kontrahenten Friedrich Merz aufzusuchen und zur Mitarbeit zu motivieren. Das ist ihr so gut gelungen, dass sogar der Merkel-Gegner und Merz-Fan, der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand  Christian von Stetten, nach einem Auftritt von Kramp-Karrenbauer bei seinem Neujahrsempfang ein Foto mit ihr unter der Überschrift machte: „Neue Freunde!“

Die Saarländerin hat es sogar geschafft, einen Draht zu Merz aufzubauen. Fast schon vergessen, dass sie mit Paul Ziemiak einen engen Vertrauten des ebenfalls unterlegenen Gesundheitsministers Jens Spahn zum Generalsekretär machte. Und dann hat sie auch noch Frieden mit der CSU geschlossen. Diese unerwartete Bilanz hat nur einen Haken: Jetzt sind Kramp-Karrenbauers Unterstützer irritiert, die in ihr die natürliche Erbin Merkels politischer Arbeit sahen. Nun hat sich bei ihnen so etwas wie Enttäuschung eingeschlichen. 

Noch ist die „Union der Mitte“ nur ein loser Zusammenschluss von CDU-Politikern aus Kommunen, Ländern und dem Bundestag, aber die liberale Gruppierung wirkt bereits als Gegengewicht zur rechten Seite der Partei, wo die WerteUnion verortet wird. Keiner wolle Flügel haben, heißt es, Kramp-Karrenbauer am wenigsten. Andere Parteien dienten da zur Abschreckung. Aber die CDU-Chefin hat nun gleich die nächste Baustelle vor der Tür: Flügelkämpfe verhindern.

Selbst Parteivize Armin Laschet soll sich jüngst hinter den Kulissen über Kramp-Karrenbauers Bemerkung echauffiert haben, als ultima ratio müsste die deutsche Grenze geschlossen werden, damit sich eine Situation mit Flüchtlingen wie 2015 nicht wiederhole. „Gerede“, habe der NRW-Ministerpräsident das genannt. Auch im Kanzleramt waren sie aufgeschreckt.

Am Freitag trafen sich etwa 20 Vertreter der Union der Mitte in einem Hotel in Berlin. Die bisher öffentlich engagierteste Vertreterin ist Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, auf Twitter meldet sich oft der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter aus Baden-Württemberg zu Wort. Es geht ihnen um Klimaschutz, Künstliche Intelligenz, Bildung, Europa.

Der nordrhein-westfälische Kommunikationsberater und Christdemokrat Frank Sarfeld sagte nach dem Treffen unserer Redaktion: „Die CDU darf sich nicht allein darauf konzentrieren, ausschließlich nur die Mitglieder einzuhegen. Es sind nämlich die Wähler, nicht die Parteimitglieder, die bei Wahlen bestimmen, mit wieviel Prozent die CDU in die Parlamente einzieht“. Nach dem neuesten Wahltrend liegt die Union im Bund derzeit nur bei 29 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte sie 32,9 Prozent erreicht.

Der Vorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch, sagt: „Die Union war noch nie so nah an SPD und Grünen wie 2017 und hat dafür ein miserables Ergebnis bekommen. Deshalb brauchen wir jetzt die Politikwende zu einem klaren christdemokratischen Profil." Das christdemokratische Profil reklamieren allerdings alle Seiten für sich. Kramp-Karrenbauer will dem Vernehmen nach übrigens die Bundestagsabgeordneten nun zum Essen einladen, die sie vor ihrer Wahl zur CDU-Chefin so offen unterstützt haben. Darunter auch Kiesewetter. Einer nennt es: „Boden wieder gutmachen.“

(kd)
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