Union im Umbruch Darum muss Merkel den rechten CDU-Rand nicht fürchten

Berlin · Eine große deutsche Zeitung druckte die für Angela Merkel wichtigste Botschaft nur ganz klein: 98 Prozent aller Unions-Anhänger wollen danach laut einer Emnid-Umfrage, dass die CDU-Chefin Bundeskanzlerin bleibt.

 Angela Merkel (Archivbild).

Angela Merkel (Archivbild).

Foto: dpa, jst fgj

Nur zwei Prozent wollen dies nicht, schrieb die "Bild am Sonntag". Deutlicher könne die Botschaft vor der Sondierung mit der CSU am nächsten Sonntag nicht sein, gibt man sich in der CDU zufrieden. Denn Merkel ziehe mit dem stärksten Pfund der Partei in die Abstimmungen für die angestrebte Jamaika-Koalition - sich selbst. Forderungen nach einem Rechtsruck der Union, wie sie aus Bayern und dem Osten kamen, scheinen zu verpuffen.

Selbstverständlich ist das nicht. Mit 32,9 Prozent erzielte die Union nach zwölf Jahren Merkel-Kanzlerschaft am 24. September das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei einer Bundestagswahl. Und weil die rechtspopulistische AfD in Bayern so gut wie in keinem anderen westlichen Bundesland abschnitt, gärt es nun auch noch kräftig in der CSU. Schließlich will CSU-Chef Horst Seehofer seiner Partei bei der Landtagswahl im Herbst 2018 wieder die absolute Mehrheit sichern.

"Die CSU hat sicher von den vier Parteien einer Jamaika-Koalition die größten Probleme - mit sich selbst", räumte ein CDU-Bundesvorstandsmitglied ein. Aber auch wenn die Ost-CDU-Ministerpräsidenten wie Stanislaw Tillich (Sachsen) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) am Wochenende einen Rechtsruck forderten: Wie schon in früheren Fällen muss Merkel den Aufstand des rechten Flügels ihrer Partei auch diesmal nicht fürchten. Denn die Emnid-Umfrage zeigte auch, dass unter den Unions-Anhängern nur 33 Prozent für eine rechtsorientierte Neuausrichtung sind - die Mehrheit (55 Prozent) aber nicht.

Dazu kommt, dass sich in einer Umfrage der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" Zweidrittel von 45 befragten CSU-Ortsvorsitzenden gegen die von Seehofer und vor allem vom bayerischen Finanzminister Markus Söder geforderte Obergrenze bei der Zuwanderung von Flüchtlingen aussprachen.

"Unsere Aufgabe ist es, sich nach links und rechts klar abzugrenzen"

Das zeigt sichtlich Wirkung. Ganz anders als seine Parteifreunde in Sachsen und Sachsen-Anhalt mahnt der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring nun, dass sich die Union als "stärkste Kraft in einer neu austarierten Mitte" aufstellen sollte. "Unsere Aufgabe ist es, sich nach links und rechts klar abzugrenzen. Es geht also nicht um einen Links- und Rechtsruck, der nun nötig wäre", sagte Mohring im Reuters-Interview. Die Unionsparteien sollten sich nicht auf einen Überbietungswettbewerb mit der AfD einlassen. "Die Rückkehr ins Nationale ist keine vernünftige Position, die Christdemokraten einnehmen sollten", warnte der Oppositionsführer im thüringischen Landtag.

Auch die Junge Union, die sich in den vergangenen Jahren rechts von Merkel positioniert hatte, sowie CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sind vorsichtig geworden. Spahn, der Merkels Flüchtlingspolitik noch harsch kritisiert hatte, schweigt ungewöhnlicherweise seit Tagen - wohl auch, um eine mögliche Benennung zu einem wichtigen Posten in der neuen Regierung nicht zu gefährden.

"Rechtsruck ist für die nötige Kursbestimmung das falsche Wort", sagte jetzt aber auch der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, zu Reuters. "Die Union muss sich als Volkspartei breit aufstellen." Gefordert wird nun vor allem die "personelle Neuaufstellung in Regierung, Fraktion und Partei. Dazu gehören jüngere, frische Gesichter."

Die auf den ersten Blick überraschende Gelassenheit der CDU-Spitze dürfte sich auch auf die Gespräche mit der CSU auswirken. CDU-Vize Armin Laschet jedenfalls betonte am Montag im "Handelsblatt" noch einmal, dass man sich dem Drängen der kleinen bayerischen CSU nach einer Obergrenze nicht beugen werde. Aus dem Norden mahnte ein erfolgreicher Wahlkämpfer wie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mehr Demut der Schwesterpartei CSU an. Im Westen klingt dies bei der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und auch der rheinland-pfälzischen CDU-Chefin Julia Klöckner nicht viel anders.

CSU bleibt ein Risiko

Allerdings: Auch wenn CDU-Chefin Merkel zum Ärger ihrer Kritiker parteiintern schon wieder "alternativlos" erscheint - die Nervosität der CSU gilt für sie durchaus als ein Problem. Denn Merkel braucht CSU-Chef Seehofer für den Abschluss eines Bündnisses mit FDP und Grünen: CSU-Politiker haben in den vergangenen Tagen mehrfach betont, dass es diesmal anders als in der großen Koalition ohne die CSU-Stimmen keine Mehrheit gibt. Und je angeschlagener Seehofer erscheint, desto mehr muss er die CDU-Chefin zu Zugeständnissen drängen, die ihn über den CSU-Parteitag im November hinaus retten sollen.

Das dürfte auch erklären, warum die Sondierungen der Unions-Schwesterparteien noch etwas Zeit brauchen dürften: "So wie wir Rücksicht nehmen auf Niedersachsen, wollen wir auch, dass dann die bayerischen Interessen in Berlin rücksichtsvoll behandelt werden", beschrieb Seehofer mit Blick auf die niedersächsische Landtagswahl am 15. Oktober seine Erwartungen.

(felt)
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