Brandbrief an die Kommission Will die EU das Aus für Krabbenfischer?

Brüssel · Mit einem Alarmruf haben sich norddeutsche Europa-Abgeordnete an die Kommission gewandt. Was Brüssel zum Schutz der Meeresökosysteme vorhabe, laufe schon im nächsten Jahr auf ein „totales Berufsverbot“ für Küstenfischer und das Ende der Krabbenkutter hinaus.

Die Krabben in der „Seekiste“ am Strand von St. Peter-Ording haben keinen Umweg über Marokko gemacht, sondern werden mitten im Restaurant gepult.

Foto: dpa-tmn/Hilke Segbers

Nordseekrabben sind auch im Binnenland beliebt, erst Recht gehören die Krabbenkutter mit fangfrischen Angeboten zu den Attraktionen beim Urlaub an der See. Werden im Kühlregal und im Hafenbecken bald nur noch Lücken sein, die Garnelen dann aus dem Pazifik eingeflogen? Zumindest droht dieses Szenario, wenn der gerade auf den Weg gebrachte „EU-Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“ Wirklichkeit wird. „Dies hätte für die deutschen Küsten bereits im nächsten Jahr vielerorts das Aus der traditionellen Krabbenfischerei zur Folge“, schreiben die CDU-Europa-Abgeordneten David McAllister, Jens Giesecke und Niclas Herbst in einem unserer Redaktion vorliegenden Brandbrief an Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius.

Eine der Maßnahmen, die die Kommission den Mitgliedstaaten vorgeschlagen hat, besteht in einem Verbot zur Nutzung von Grundschleppnetzen in allen Natura-2000-Gebieten bis 2024 und ein vollständiges Verbot in allen marinen Schutzgebieten bis 2030. „Kein anderer Mitgliedstaat hat so große Anteile seines Hoheitsgebiets zu Meeresschutzgebieten erklärt wie Deutschland“, halten die Abgeordneten in ihrem Schreiben fest. In der Nordsee seien der allergrößte Teil der Küstengewässer und große Bereiche der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen. Hinzu komme, dass die Fanggebiete der Fischer durch weitere Umweltschutzmaßnahmen, den Ausbau der Offshore-Windkraft oder andere Projekte der Energieversorgung bereits jetzt erheblich eingeschränkt würden.

Die norddeutschen Krabbenfischer seien beispielsweise auf die Fanggründe im Nationalpark Wattenmeer angewiesen. Dieser wäre dann aber „maßgeblich von einem Grundschleppnetzverbot betroffen“. Insbesondere kleine Betriebe hätten „keine Ausweichmöglichkeiten“. Dem Vorgehen der Kommission stellen die die drei deutschen Nordlichter unter den EU-Politikern die Einschätzung des Marine Stewardship Council (MSC) entgegen. Diese Nichtregierungsorganisation, die sich dem Kampf gegen die Überfischung der Meere verschrieben hat, definiere den grundberührenden Fang in ihren Statuten als nachhaltig, weil er geringe und reversible Auswirkungen auf den Meeresboden habe. „Aus welchem Grund also droht dieser bewährten Fischereipraxis nun das totale Berufsverbot?“, wollen die Abgeordneten vom Umweltkommissar wissen.

Sie weisen darauf hin, dass die EU schon heute auf Weißfischimporte angewiesen sei, die von Grundschleppfischern aus Drittländern gefangen würden. 70 Prozent der in Europa konsumierten Meeresfrüchte müssten importiert werden. „Warum hält die Kommission die Mitgliedstaaten zusätzlich an, Gesetzgebung zu schaffen, die die wirtschaftlichen Existenzen einer ganzen Branche zerstört und die Europäische Union zeitgleich noch stärker von Krabben- und Fischimporten aus Drittstaaten abhängig macht?“, heißt es in dem Brief weiter.

Die Küstenländer stellten sich bereits den gesellschaftlichen Anforderungen ökologischer Nachhaltigkeit, schreiben die Abgeordneten und weisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf Maßnahmen zum Fischereimanagement in Natura-2000-Gebieten hin. Marine Schutzgebiete dienten unterschiedlichen Zielen. Es gehe um den Schutz von Säugetieren, Vögeln oder Schildkröten und oftmals nicht um den Schutz des Meeresbodens. Die Bewirtschaftung werde deshalb jeweils an die lokalen Gegebenheiten angepasst.

McAllister, Gieseke und Herbst verlangen von Sinkevicius, das Schleppnetzverbot aus dem Aktionsplan der Kommission ersatzlos zu streichen. Zugleich laden sie ihn ein, sich selbst ein Bild von der Situation in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu machen und mit den Fischern zu sprechen. Sie regen an, den Krabbenfischern andere Fanggerätschaften zu nennen, mit denen sie Krabben, Muscheln oder auch Plattfische wirtschaftliche auskömmlich gewinnen könnten.

Auch die deutschen Agrarminister von Bund und Ländern haben sich inzwischen einstimmig gegen ein pauschales Verbot ausgesprochen. Bundesminister Cem Özdemir verweist auf die Fischerei als Existenzgrundlage für viele Menschen an der Küste und ihre Bedeutung als Wertschöpfung in ländlichen Regionen. „Gerade die Krabbenfischerei mit ihrer langen Tradition ist nicht nur identitätssiftend, sie ist auch ein großer Tourismusmagnet“, unterstreicht der Grünen-Politiker. Er wolle dazu beitragen, die Fischerei umweltfreundlicher und widerstandsfähiger zu machen. „Außer Frage steht, dass wir bessere Regeln für grundberührende Fischerei brauchen“, stellt Özdemir fest. Doch es müssten ausgewogene Regeln sein, die sowohl das Ökosystem erhielten als auch die soziale Nachhaltigkeit im Blick hätten. Das pauschale Verbot sei nicht der richtige Weg. Es gelte zu unterscheiden zwischen Fangmethoden, die den Meeresboden schädigten, und „solchen, die wissenschaftlich belegt weniger Auswirkungen auf die Umwelt haben - wie in der Krabbenfischerei“.