Experte: Heutige Elite "ist eine einzige Fehlbesetzung" Umfrage: Welcher Institution vertrauen die Deutschen?

Hamburg (rpo). Welcher Institution vertrauen die Deutschen? Wenig überraschend: Nicht den politischen Parteien, besagt das Ergebnis einer Forsa-Umfrage. An oberster Stelle stehen dagegen Damen und Herren in Uniform.

Die Deutschen haben jegliches Vertrauen in die politischen Parteien verloren. Das ergab eine am Mittwoch veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag des Hamburger Magazins "Stern". Nur zwölf Prozent der Befragten gaben an, großes Vertrauen zu Parteien zu haben, die damit das Schlusslicht bei der Umfrage bildeten. Auch der Bundesregierung (18 Prozent), den Arbeitgeberverbänden (22 Prozent), der Wirtschaft generell (23 Prozent), den Gewerkschaften (24 Prozent), der katholischen Kirche (25 Prozent), dem Papst (27 Prozent) und dem Bundestag (ebenfalls 27 Prozent) schenkten die Befragten nur wenig Vertrauen.

Das meiste Vertrauen genießt mit 81 Prozent die Polizei. In der Vertrauenshierarchie folgten der Umfrage zufolge die Ärzte mit 72 Prozent, knapp vor dem eigenen Arbeitgeber mit 71 Prozent. Als sehr verlässlich gelten demnach auch Universitäten (65 Prozent), Gerichte (60 Prozent), das Radio (59 Prozent), der Bundespräsident (57 Prozent) und die Bundeswehr (49 Prozent). Forsa befragte 1997 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger zwischen dem 22. und 23. Januar 2004.

Vorwurf: Heute regierten "Leichtfertigkeit und Mittelmaß"

Der Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis übte im "Stern" scharfe Kritik an den Politikern in Deutschland. Der Kampf um die Macht sei das Einzige, was diese Generation wirklich interessiere: "Sie ist eine einzige Fehlbesetzung." Heute regierten "Leichtfertigkeit und Mittelmaß". Statt mit Fachbeamten Gesetze handwerklich sauber vorzubereiten, umgäben sich die Minister "lieber mit Jasagern und Schmeichlern". Hennis vermisst vor allem Anstand und Ernsthaftigkeit: Während die Bevölkerung mit der Gesundheitsreform zurecht kommen müsse, sitze die politische Elite "schenkelklopfend und grinsend bei Sabine Christiansen". Hennis urteilte: "Die sind komplett abgehoben." Die zu beobachtenden Phänomene seien Anzeichen eines Verfalls der politischen Ordnung. "Und ich sehe in der politischen Klasse niemanden, der das aufhalten kann - und will. Die haben sich ja alle wunderbar eingerichtet in diesem System."

Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine warf unterdessen der kompletten Führungsebene seiner Partei Tatenlosigkeit angesichts verheerender Umfrage- und Wahlergebnisse vor. "Eine Partei, die bei solch verheerenden Ergebnissen ihre Politik nicht ändert, gibt sich auf", schrieb Lafontaine in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung vom Mittwoch. Für den Absturz der SPD sei nicht mehr nur der Vorsitzende Gerhard Schröder verantwortlich, vielmehr sehe mittlerweile "eine ganze Generation von Funktionären in Bund, Ländern und Gemeinden" tatenlos zu, wie ihre Partei zerfalle. Lafontaine warnte davor, dass die sozialdemokratischen Wähler "enttäuscht und zornig" seien und Wahlverweigerung ausüben könnten. Der ehemalige SPD-Chef spottete: "18 Prozent, so scherzten altgediente Genossen, seien nicht das Ziel der FDP, sondern der Schröder-SPD."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort