Wirtschaftliche Folgen für Deutschland Der Ukraine-Krieg wird noch viel teurer

Meinung | Berlin · Mit jedem weiteren Kriegstag in der Ukraine wird deutlicher, dass auch Deutschland einen enorm hohen Preis für die russische Aggression wird zahlen müssen. Der Krieg wird den späteren finanziellen Verteilungsspielraum in der deutschen Gesellschaft schmälern.

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Scholz, Macron und Draghi zu Solidaritätsbesuch in Kiew

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Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa, die viertgrößte in der Welt – kein Wunder, dass aller Augen immer wieder hierher gerichtet sind, wenn es um die Finanzierung der Kriegsfolgen geht. Allein die Aufrechterhaltung des ukrainischen Staatswesens kostet den Westen monatlich fünf Milliarden Euro. Noch tragen die USA den Löwenanteil davon, aber wie lange noch? Die Hilfsbereitschaft der USA wird tendenziell nachlassen, je länger der Krieg dauert, schließlich ist er für sie weit entfernt. Deutschlands Last wird daher steigen. Auf die EU-Partner ist zudem nicht immer Verlass: Als einziges europäisches Land hatte die Bundesregierung der Ukraine eine Milliarde Euro Zuschuss zur Finanzierung ihrer laufenden Ausgaben gewährt. Großbritannien, Frankreich und Italien hielten sich beim letzten G7-Finanzministertreffen dagegen vornehm zurück.

Hinzu kommen milliardenschwere Waffenlieferungen in die Ukraine. Die teuren Waffensysteme kommen nicht zurück, sie werden auf dem Schlachtfeld zerschlissen. Und dieser Krieg kann noch Jahre dauern. Kann es sein, dass Deutschland am Ende sein für die eigene Verteidigung geschaffenes 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Waffen an die Ukraine einsetzen muss?

Verlöre die Ukraine diesen Krieg, ist überdies mit Millionen neuer ukrainischer Flüchtlinge in Westeuropa zu rechnen. Wenn sie keine Rückkehr-Perspektive mehr sehen und sich das Ziel-Land frei aussuchen können, werden sie nach Deutschland kommen – dorthin, wo sie die besten wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen finden. Die Versorgung der Flüchtlinge würde neue Milliarden verschlingen.

Schafft es die Ukraine hingegen, als eigenständiges demokratisches Land zu bestehen, hat sie nach der Kiew-Reise des Bundeskanzlers und der Empfehlung von Kommissionschefin Ursula von der Leyen eine sehr viel klarere Perspektive, Mitglied der europäischen Staatenfamilie zu werden. Der tatsächliche EU-Beitritt dürfte zwar noch Jahre dauern. Der Status eines EU-Beitrittskandidaten stärkt ihr aber schon den Rücken, wenn es um europäische Fördermittel geht. Als einer der weltweit größten Getreideproduzenten könnte die Ukraine schon vor einem Beitritt Hilfen für ihre Agrarwirtschaft erwarten.

Europa wird, wenn die Ukraine den Krieg nicht verliert, ohnehin den größten Teil des Wiederaufbaus finanzieren müssen. Auch der Internationale Währungsfonds stünde zwar bereit, doch der Wiederaufbau dürfte selbst seine Möglichkeiten übersteigen. Ein Marshall-Plan müsste her – und wieder dürfte es Deutschland sein, das ihn maßgeblich mit Eigenkapital absichert.

Und dann sind da noch die russischen Gaslieferungen, die Kreml-Herrscher Putin nun drastisch reduziert hat. Es kann gut sein, dass er bald den Gashahn ganz zudreht. Das hätte fatale Folgen für die deutsche Wirtschaft. Alles in allem: Deutschland wird durch den Ukraine-Krieg mit erheblichen Folgekosten belastet, die den Verteilungsspielraum in der deutschen Gesellschaft schmälern.

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