Weitere Entlastungen sind notwendig Die Koalition muss den Bürgern jetzt helfen

Meinung | Berlin · Die Folgen des Ukraine-Krieges machen auch den Deutschen immer mehr zu schaffen. Ob an der Tankstelle oder im Supermarkt. Die Koalition muss deshalb jetzt zügig handeln. Sie sollte für weitere Entlastungen sorgen – wie seinerzeit in der Corona-Krise.

 Autos an einer Kölner Tankstelle in der vergangenen Woche.

Autos an einer Kölner Tankstelle in der vergangenen Woche.

Foto: dpa/Oliver Berg

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat kürzlich eine Prioritätenliste festgelegt. Auf die Frage, ob es für einige Lebensmittel eine Senkung der Mehrwertsteuer geben müsse, antwortete er, erste Priorität habe die Hilfe für die Menschen in der Ukraine. Zweite Priorität sei in der Folge des Krieges der Kampf gegen den Hunger auf der Welt – um dann die Frage nach der Mehrwertsteuer unbeantwortet zu lassen.

Wie Özdemir und viele andere in der Bundesregierung im Moment argumentieren, ist nicht falsch. Im Gegenteil. Die Menschen in der Ukraine erleiden derzeit die größte Katastrophe schlechthin. Und auch die Folgen des Krieges für Schwellen- und Entwicklungsländer werden mit Blick auf die Versorgung mit Agrarprodukten weitaus dramatischer sein als das, was beispielsweise der deutsche Autofahrer derzeit an der Tankstelle erlebt. Trotzdem gilt: Die eine Priorität schließt andere Prioritäten nicht aus.

Soll heißen: Die Ampel muss jetzt zügig aus dem Prüf- und Debattiermodus herauskommen und klar sagen, wie sie mit den steigenden Preisen in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen umgehen will. Ihr Entlastungpaket, beschlossen kurz vor Ausbruch des Krieges, hinkt hinterher. Sie muss neu handeln. Auch und gerade, damit die riesige Hilfsbereitschaft und Solidarität mit der Ukraine hierzulande nicht abebbt. Die Unterstützung der Bürger wird weiterhin gebraucht werden zur Bewältigung der großen Krise.

Es macht daher Sinn, auf Corona zu schauen. Der Staat war damals in der Lage, viele Hilfspakete zu schnüren. Und das im Eiltempo. Auch wurde seinerzeit die Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Zeitlich befristet. Ein ähnliches steuerorientiertes Vorgehen ist nun auch beim Sprit oder bei Lebensmitteln notwendig. Zumal dann, wenn sich die EU und Deutschland dazu durchringen sollten, die Energieimporte aus Russland gänzlich zu stoppen, womöglich für ein paar Monate. Das würde die Lage auf den Märkten zusätzlich verschärfen.

Gewiss, die Mehrwertsteuersenkung hat seinerzeit nicht alle Gastronome vor massiven Verlusten oder gar Pleite geschützt. Viele aber doch. Außerdem hat der Staat damals ein Signal seiner Handlungsfähigkeit im Kampf gegen die Pandemie gesetzt. Teuer würde ein solch erneutes Vorgehen für den Finanzminister sicherlich werden. Deshalb blockt Christian Lindner noch ab. Aber wer 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und 200 Milliarden Euro bis 2026 fürs Klima lockermachen kann, der wird auch zeitlich begrenzte Entlastungen ermöglichen können – mit positiven Effekten für Bürger und Wirtschaft.

Bleibt die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Konzerne Senkungen auch an die Verbraucher weitergeben. Man kennt das bereits von Strom und Gas, wo in den vergangenen Jahren sinkende Kosten für den Energieeinkauf der Unternehmen oftmals den Kunden nicht erreicht haben. Erstens werden die Konzerne aber kaum ein Interesse daran haben, dass die Preise steigen und steigen und vieles unerschwinglich wird. Zugleich könnte der Staat die Versorger zu Preissenkungen verpflichten – so, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck es hinsichtlich der Abschaffung der EEG-Umlage plant. Auch das wäre wohl machbar.

(has)
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