Neuer Haushaltsentwurf Bund will zurück zur Schuldenbremse - doch wie teuer werden Krieg und Energie?

Analyse | Berlin · Mit dem neuen Haushaltsentwurf will der Bund 2023 nach superteuren Corona-Jahren die Schuldenbremse wieder einhalten. Der schöne Schein trügt. Die marode Bundeswehr soll 100 Milliarden auf Pump bekommen, dazu sollen Tanken und Heizen massiv subventioniert werden. In Kriegszeiten stehen die Haushaltspläne der Ampel auf tönernen Füßen.

  Ein Lastwagen fährt im Morgengrauen an Strommasten vorbei.

 Ein Lastwagen fährt im Morgengrauen an Strommasten vorbei.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Ukraine-Krieg, explodierende Energiepreise, Klimawandel - trotz zusätzlicher Ausgaben im dreistelligen Milliardenbereich will die Bundesregierung 2023 die seit Corona ausgesetzte Schuldenbremse im Grundgesetz wieder einhalten. Das wurde am Montag aus Regierungskreisen bekannt. So will der Bund nach 99,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr dann nur noch 7,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. In den Folgejahren wächst der jährliche Verschuldungsspielraum des Bundes dann aufgrund einer höheren Wirtschaftsleistung schrittweise bis auf 13,7 Milliarden Euro im Jahr 2026. Im aktuellen Jahr 2022 plant der Bund nun mit einem Haushalt von rund 458 Milliarden Euro. 2023 sind Ausgaben von rund 413 Milliarden vorgesehen. Zur Einordnung: Vor der Pandemie 2019 lag der Haushalt bei 357 Milliarden.

Jedoch wird im Finanzministerium eingeräumt, dass niemand wisse, welche Bremsspuren der Ukraine-Krieg, Zusatzkosten der Kampf gegen hohe Energiepreise und ein möglicher Stopp russischer Importe im Zahlenwerk und in der Wirtschaft hinterlassen werden. „Das ist ein absolut vorläufiger Stand nach bestem Wissen und Gewissen“, hieß es. Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler wird deutlicher: „Die Nettokreditaufnahme von 100 Milliarden Euro wird durch weitere Reaktionen aufgrund des Kriegs und seiner schwerwiegenden Folgen höher ausfallen als jetzt aktuell anvisiert.“

So will Finanzminister Christian Lindner (FDP) bald noch einmal an die Zahlen ran und einen „Ergänzungshaushalt“ präsentieren, in dem weitere Kosten etwa für ein zweites Energie-Entlastungspaket enthalten sein werden. Erst zwei Mal in den vergangenen 50 Jahren nutzte ein Finanzminister im laufenden Verfahren diesen Sonderweg, 1967 und 2020 in der Pandemie.

Zur Entlastung der Verbraucher bei Strom, Heizen und Steuer sind von SPD, Grünen und FDP bislang 18 Milliarden Euro bis 2025 verabredet, die im Haushalt schon abgebildet sind. Auch eine Milliarde für humanitäre Ukraine-Hilfe und 1,5 Milliarden Euro für den Ankauf von Flüssiggas hat Lindner verbucht. Nun sollen aber noch höhere Zuschüsse für Benzin, Diesel und Heizen kommen, weil Millionen Pendler und Geringverdiener stöhnen. Lindner denkt an einen Sofortrabatt an der Zapfsäule bei Benzin und Diesel, der an der Kasse direkt abgezogen und vom Staat bezahlt werden würde - Kostenpunkt pro 20 Cent Spritrabatt rund eine Milliarde Euro, pro Monat! Noch ist das letzte Wort dazu in der Ampel nicht gesprochen. Der grüne Chefhaushälter Kindler: „Eine planwirtschaftliche Festlegung und Subventionierung des Benzinpreis ist keine wirklich zu Ende durchdachte Idee und funktioniert nicht als Antwort auf die fossilen Preissteigerungen durch Putins Krieg.“

Zur Wahrheit dazu gehört, dass die Ampel-Regierung formal überhaupt nur an der Schuldenbremse festhalten kann, weil das von Kanzler Olaf Scholz angekündigte 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr in den nächsten Jahren außerhalb des Kernhaushaltes über weitere Schulden finanziert werden soll. Zuversichtlich ist das Finanzministerium, dass die Zeit riesiger Schuldentöpfe zur Finanzierung von Corona-Hilfspaketen zu Ende geht. Im laufenden Haushalt muss Lindner noch einmal 24 Milliarden Euro an Extra-Ausgaben für Corona gegenüber der Planung gegenfinanzieren. Dies gelingt unter anderem, weil der Bund gut vier Milliarden weniger für Zinsen zahlen muss, die Arbeitsagenturen mit 1,8 Milliarden weniger auskommen und die Steuereinnahmen mit 17,3 Milliarden Euro satt über Plan liegen.

Heimlich, still und leise bereitet der Bund außerdem eine ganz eigene Zeitenwende bei der Tilgung der aufgelaufenen Corona-Schulden vor. Der Abbau sollte 2023 beginnen und in 20 Jahren abgeschlossen sein. Nun will Lindner alle aufgelaufenen Corona-Kredite bündeln und über 30 Jahre tilgen. Start erst 2028/29, Ende 2057/58 - pro Jahr muss der Bund dann 11,1 Milliarden Euro abstottern. Das wird finanzielle Spielräume künftiger Regierungen erheblich einschränken - was am Ende Steuerzahler und künftige Generationen zu spüren bekommen dürften.

(tb)
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