"Partei des sozialen Aufstiegs" Übernimmt jetzt die FDP die Rolle der SPD?

Berlin (RP). In einer Umfrage rutscht die einstige Volkspartei SPD auf 20 Prozent während die "Klientelpartei" FDP 16 Prozent erreicht. Experten sehen die FDP sogar auf dem Weg zur "Partei des sozialen Aufstiegs".

Schwarz-gelbe Verhandlungen: Knackpunkte und Gemeinsamkeiten
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Foto: AP

Liberal sein ist "in". Fast jeder zehnte Wahlberechtigte hat bei der Bundestagswahl die FDP gewählt. Mehr als sechs Millionen Menschen, so viele wie nie in der bundesrepublikanischen Geschichte. Gleichzeitig lässt der Wähler mitten in der Wirtschaftskrise die vermeintliche Sozialstaatspartei SPD im Stich.

Im Vergleich zu 2005 verloren die Sozialdemokraten sechs Millionen Wähler. Zwar lästern enttäuschte Unions-Politiker immer noch über die "Leihstimmen" für FDP-Chef Guido Westerwelle. Doch alleine mit entttäuschten Marktwirtschaftlern aus dem CDU-Milieu lässt sich die neue Stärke der Liberalen nicht erklären. Eine aktuelle Umfrage des Forsa-Instituts sieht die FDP sogar bei 16 Prozent, die SPD nur noch bei 20 Prozent. Ist die FDP bald die neue SPD?

FDP auf dem Weg in die "Mitte"

Belegen lässt sich immerhin, dass die Liberalen weit in die Mitte der Gesellschaft gerückt sind. Früher war der typische FDP-Wähler soziologisch leicht zu ermitteln: männlich, westlich, wohlhabend. Es waren vor allem Ärzte und Banker, BWL-Studenten mit Einstecktuch im Sakko, die für Blau-Gelb trommelten. Heute stimmt auch der Öko-Papa mit Heizkraftwerk im Garten für "mehr Netto vom Brutto" und der 18-jährige Lehrling aus Sachsen für mehr Freiheit im Internet.

Acht Prozent der Arbeitslosen, 13 Prozent der Arbeiter haben die vermeintlich Marktradikalen gewählt. "Die FDP hat neue Wähler ansprechen können, weil eine breite Mittelschicht Angst vor dem sozialen Abstieg hat", analysiert Karl-Rudolf Korte, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Der Westerwelle-FDP werde dabei am ehesten eine "Aufschwungkompetenz" zugetraut.

FDP hat sich sozialdemokratisiert

Hinzu kommt, dass sich auch die FDP sozialdemokratisiert. "Keine Partei kann sich tiefe Einschnitte in das soziale Netz leisten, das hat auch die FDP verinnerlicht", sagt Jürgen Dittberner, Politologe an der Universität Potsdam und früher FDP-Senator in Berlin. Er glaubt, dass die FDP in der Regierung marktradikale Reformen vermeiden und "pragmatisch" agieren werde. So wie sie als einzige Oppositionspartei 2008 für das "Bankenrettungspaket" der großen Koalition stimmte.

Dittberner hält es sogar für möglich, dass die FDP zur "Partei des sozialen Aufstiegs" wird. Dieses Attribut reklamiert bisher die SPD für sich. "Wenn die FDP neben ihrer Wirtschaftskompetenz auf Themen wie Bürgerrechte und Bildung setzt, kann sie in die SPD-Klientel eindringen", ergänzt Politologe Korte.

An der Führungsriege dürfte ein solcher Kurs nicht scheitern. "Westerwelle rückt nicht nach links, weil er davon überzeugt ist", sagt Dittberner. "Sondern weil er muss." Kein Zufall, dass die FDP in den Verhandlungen mit der Union für eine "weiche" Überschrift beim Koalitionsvertrag eintritt. Von "Aufstieg" und "Chancen" soll die Rede sein, ist zu hören.

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