Christoph Meyer, FDP-Spitzenkandidat Überlebenskampf in Berlin

Düsseldorf (RPO). Manchmal ist es nicht leicht, ein Politiker zu sein. Das gilt derzeit insbesondere für Christoph Meyer, 36 Jahre alt, Rechtsanwalt. Im Wahlkampf von Berlin ist er das Gesicht der FDP. Auch nach dem Desaster von Mecklenburg-Vorpommern demonstriert er hartnäckig Optimismus. Dem Wähler bietet er Oppositionsparolen an.

Christoph Meyer, FDP-Spitzenkandidat: Überlebenskampf in Berlin
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Christoph Meyer kämpft. Das muss er auch. In den Umfragen geht es seiner Berliner FDP nicht besser. Geschieht nicht noch ein kleines Wunder, wird auch sie hinweggespült vom erbarmungslosen anti-liberalen Trend, irgendwo unter die Fünf-Prozent-Hürde. "Fast Drei Prozent", so wird derzeit hinter vorgehaltener Hand über die FDP und ihre Initialen gespottet.

 Im Wahlkampf plakatiert die FDP mit brennenden Autos.

Im Wahlkampf plakatiert die FDP mit brennenden Autos.

Foto: dapd

Die Aussichten sind nicht eben rosig. Im Thomas-Dehler-Haus befürchten sie das Schlimmste für den nächsten Wahlabend. In Mecklenburg-Vorpommern lagen die Prognosen vor der Wahl bei fünf Prozent für die FDP. Am Ende wurden es 2,7. In Berlin sieht es in den Umfragen ebenfalls schlecht aus. Die Werte pendeln zwischen drei und vier Prozent. Schnurrt das bisschen beim Härtetest am 18. September genauso zusammen wie in Schwerin, müssen sich die Journalisten für die Liberalen in der Bundeshauptstadt noch eine Steigerung von "zappenduster" einfallen lassen.

Auch noch Mitgliederschwund

Begleitet wird das von Schreckensmeldungen aus der Geschäftsstelle. Seit Jahresbeginn hat der kleine FDP-Landesverband bereits 150 Mitglieder verloren. Nur noch rund 3150 Aufrechte halten ihm die Treue. In den meisten Fällen sei der Schritt nicht begründet worden, sagte Landesgeschäftsführerin Sybille Meister. Dass Frustration über den Personal-Knatsch auf Bundesebene ein Motiv sein könnte, will sie zumindest nicht ausschließen.

Der Mann, der vor diesem nicht eben erbaulichen Hintergrund für die FDP zu Felde ziehen muss, ist Christoph Meyer. Er setzt im Wahlkampf auf klare Kante. Dass er in seiner Kampagne auch die neue, die junge FDP beschwört, mag angesichts der neu erklärten Seriösität nicht mehr so ganz passen, aber die Dinge ändern sich halt schnell im Fallen.

Kryptische Plakate

Auch das Konzept, die Wahlplakate mit ungewöhnlich vielen Wörter vollzustopfen, hat in der Parteispitze keine Begeisterungsstürme ausgelöst. "Ist die FDP eine Arbeiterpartei oder eine Partei der Besserverdienenden?", steht da in blauer Schrift auf gelbem Grund und darunter: "Wir möchten, dass man mit Arbeit besser verdient als ohne."

Das kennt man noch vom Bundestagswahlkampf. Arbeit soll sich wieder lohnen, hieß es da. Andere Motive der Kampagne mit dem Titel "Die neue Wahlfreiheit" waren etwas schwieriger zu verstehen. "Warum teilt die FDP nicht den Traum von einer autofreien Stadt?" heißt es da. Die Antwort: "Weil keine Frau der Welt mit dem Fahrrad zum Kreißsaal möchte."

Populismus-Vorwürfe

Dahinter verbirgt sich die verkehrspolitische Ausrichtung der Berliner Liberalen, das getreu den liberalen Prinzipien auf Freiheit setzt. Es soll endlich Schluss sein mit der "Drangsalierung des Autoverkehrs" wie durch flächendeckende Tempo-30-Zonen.

Auch die so zahlreich brennenden Autos hat Meyer im Kampf um Stimmen für den Wahlkampf instrumentalisiert. Die goßformatige Plakate zeigten zwei vermummte Gestalten vor einem brennenden Auto, darunter heißt es neben dem FDP-Logo in bedrohlichem Unterton "Erst Autos, und dann...? Arbeit. Bildung. Mehr Polizei". Das gab Ärger. Die Presse schnaubte, Renate Künast schalt die Kampagne als unanständig und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit empfahl Meyer: "Wer die Ängste der Menschen zu diesem Thema instrumentalisiert, sollte sich schämen."

"Lebensstil-Intoleranz"

In seinen Rechtfertigungsversuchen verstrickte sich Meyer dann auch noch in komplizierten Wörtern. Das Plakat sei keineswegs populistisch, sondern richte sich gegen eine "Lebensstil-Intoleranz", ließ er die Öffentlichkeit bei der ersten TV-Debatte der fünf Spitzenkandidaten wissen. Der Spott ließ nicht lange auf sich warten. Lebensstil-Intoleranz - damit gehe man zum Hausarzt, aber doch nicht zur FDP, hieß es in den Medien.

Eigentlich hat Meyer so etwas gar nicht nötig. Er ist eloquent, fleißig und eine Kämpfernatur. Das muss er auch sein, allein weil ihn so viele Berliner gar nicht kennen. In einigen Umfragen schüttelten 82 Prozent bei seinem Namen den Kopf.

Ziel: Der Einzug ins Parlament

Aber Meyer kann trotz geringer Bekanntheitswerte hoffen, dass strategische Wähler bei seiner Partei das Kreuzchen machen. Die FDP ist das gewohnt. Seit Jahrzehnten diente sie auf Bundesebene als taktisches Korrektiv zur CDU oder SPD. In Berlin ist die Konstellation im Jahr 2011 freilich ein wenig anders. Dort empfiehlt sich die liberale Partei als Verhinderer einer Neuauflage von Rot-Rot. Und mehr noch: Da neben der Linken auch CDU und die Grünen als Partner der Wowereit-SPD in Frage kommen, versucht sich die FDP als einzig aufrechte Alternative zu präsentieren.

Meyer jedenfalls zeigt sich demonstrativ optimistisch. Der Berliner Zeitung sagte er, er rechne am 18. September mit sechs bis sieben Prozent. Als Vorbild hat er dabei die Hamburger FDP vor Augen, die nach schlechten Umfragen ebenfalls den Einzug in den Senat feiern konnten.

Rösler und Brüderle sollen helfen

Das, was Meyer derzeit überhaupt nicht gebrauchen kann, ist neues Querfeuer von der Bundesebene. Den ganzen Streit über Westerwelle will er schnell vergessen machen. Er gehe davon aus, dass die "schädliche Personaldebatte beendet ist und bleibt", betonte Meyer mit Blick auf die Bundespartei. Aber die Bundesspitze solle den Berliner Wählern vor Ort ihre Haltung erklären.

Entsprechend sind sehr wohl Auftritte mit dem Spitzenpersonal geplant. Parteichef Philipp Rösler und Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle sollen in der Woche vor der Abgeordnetenhauswahl nochmals bei Veranstaltungen auftreten.

Der Mann braucht Selbstbewusstsein

Sie sollen Meyer helfen, die Themen wieder zurück in die Spur zu bringen, mit denen die FDP in den vergangenen Wochen zumindest ein bisschen punkten konnte. So will die Partei die Berliner Wahl auch als Abstimmung über die die so heftig umstrittenen Eurobonds verstanden wissen.

"Wir werden uns durch die aktuelle Stimmung unser Selbstvertrauen nicht nehmen lassen", verkündete Meyer damals im April, als er zum Spitzenkandidaten gekürt wurde. Selbstbewusstsein, das braucht er bis heute. Meyer ist gut beraten, wenn sein Satz auch bis zum 18. September Gültigkeit hat.

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